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Peter Baumgartner zum Thema Leadership

Foto: Archiv

STANDARD: Neben Ihrer Vortragsarbeit schreiben Sie Bücher zum Thema Leadership. Erst kürzlich ist das dritte erschienen. Was fasziniert Sie denn so an dem Thema?

Baumgartner: Das Vortragen beginnt erst jetzt so richtig, auch international, und das Pendant dazu ist das Schreiben. Wissen über Leadership ist meiner Meinung nach noch nicht verbreitet genug. Ich bin fest davon überzeugt, dass heute noch immer versucht wird, Menschen in Unternehmen mit Methoden von vorgestern zu führen. Es gibt zwar immer gute Vorsätze, was Führungsthemen betrifft, aber sie werden häufig vergessen. Die Unternehmen kämpfen um potenzielle Mitarbeiter. Nicht zuletzt deshalb ist für mich in diesem Kontext Leadership so wichtig: menschlich zu führen, Entscheidungsstärke zu haben, Mut und Zuversicht zu vermitteln, weil sich davon auch die Talente angezogen fühlen.

STANDARD: Wie im ersten beschreiben Sie im aktuellen Buch den Führungsstil des Antarktis-Expeditionsleiters Ernest Shackleton. Was kann der Leser vom einstigen Helden für die Jetztzeit lernen?

Baumgartner: Er kann von ihm lernen, dass er über Eigenschaften verfügt hat, die heute vielen fehlen: Charakter und Charisma. Das ist das eine. Shackleton hat zudem Probleme gemeistert, mit denen Führungskräfte auch heute vertraut sind: eine heterogene Gruppe dazu zu bringen, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, sich mit Neinsagern auseinanderzusetzen, Pessimisten aufzumuntern, Langeweile und Erschöpfung zu bekämpfen oder mit knappen Ressourcen auszukommen.

Ich denke, dass gutes Leadership immer eine Gratwanderung zwischen Sachverstand und Menschenverstand ist.

STANDARD: Was sind unbedingte Ingredienzien?

Baumgartner: Zunächst muss man sich selbst führen können. Nur wer Orientierung hat, kann diese auch vermitteln. Das Zweite ist für mich die Entscheidungsfähigkeit. Ich beobachte in der Politik, in der Wirtschaft eine "Lauwarm-Fraktion", gerne werden Entscheidungen vermieden oder anderen zugeschoben. Die Frage, ob man den kleinsten gemeinsamen Nenner für alle möchte oder das größte gemeinsame Ziel anstrebt, entscheidet über die Qualität des Leadership. Diese Entscheidungsfähigkeit halte ich für elementar. Man muss sich entscheiden, nichts zu tun ist keine Option.

STANDARD: Gutem Leadership steht neben einem unpassenden Umfeld nicht selten das Ego im Weg. Gibt es "Hilfe" für jene, die sich als Führungskraft berufen fühlen, gleichzeitig aber ihre Kompetenzen überschätzen?

Baumgartner: Es gibt tatsächlich Führungskräfte, die sich nicht mit ihren Mitarbeitern beschäftigen, bei denen nur das eigene Ego zählt. Dabei geht es manchmal einfach nur um Kleinigkeiten - die Namen der Kinder der engsten Mitarbeiter zu kennen und dergleichen. Wenn ich mich für die Menschen nicht interessiere, dann ist alles verloren. Personen, die so "geführt" werden, kann ich nur raten, das auch entsprechend zu kommunizieren. Tut man das nicht, was in wirtschaftlich schwierigen Zeiten häufig der Fall ist, werden diese egomanischen Typen immer noch größer.

STANDARD: Sensibilität, aber auch Begriffe wie Fürsorglichkeit und Glauben wiederholen sich in Ihrem Buch immer wieder. Warum?

Baumgartner: Stimmt. Aber immer, wenn sie etwas tun wollen, wenn sie Menschen bewegen wollen, wird das nur dann gutgehen, wenn sie diese emotional berühren. Menschen machen immer mehr, wenn sie emotional beteiligt sind. Sicher ist auch der coole Leader in manchen Situationen gefragt, aber ein Leader zeigt auch immer wieder Gefühle - im Sinne von Pflichtbewusstsein oder Verantwortungsbewusstsein.
Es geht darum, ein kleines Stück in die Welt des anderen vorzudringen, um zu verstehen. Und deshalb ist Sensibilität ein sehr wesentlicher Punkt. Fürsorglichkeit verstehe ich in diesem Sinn, dass ich als Führungskraft vermittle, dass ich da bin, wenn etwas sein sollte. Über diesen Weg schaffe ich eine angstfreie Kultur. Nur dort kann sich Leistung entwickeln. Und Glauben - damit meine ich nicht den großen Glauben, die Religionen, sondern damit verbinde ich eher Optimismus, das Ausstrahlen von Ruhe zum Beispiel. Hans Hofinger, der Vorstandsvorsitzende des Österreichischen Genossenschaftsverbandes hat drei handlungsanweisende Haltungen für Führungskräfte formuliert, die mir sehr gut gefallen: Bodenhaftung, Augenmaß und Zuversicht. (Heidi  Aichinger, DER STANDARD, 3./4.5.2014)