Zwei Meldungen der letzten Tage, die auf den ersten Blick nur sehr peripher miteinander zu tun haben: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf warnt davor, dass viele Antibiotika nicht mehr wirken - zu oft verschrieben, steigt die Resistenz, vermeintlich leicht zu kurierende Krankheiten werden so (wieder) lebensbedrohlich. Gleichzeitig machen sich in Wien Patientenvertreter für ein neues Behandlungssystem stark: Wie Patienten auf Ratschläge ihrer Ärzte reagieren, hängt von Faktoren wie Bildung, persönlichen Werten und Lebensstil ab. Die medizinische Anamnese in der Ordination reicht für den Behandlungserfolg nicht aus.

Beides klingt abstrakt - und weist doch auf ein essenzielles Problem im heimischen Gesundheitssystem hin: Wo Zeit fehlt für die Auseinandersetzung mit dem Patienten, greift man in den Medikamentenschrank. Diese Zeit könnte man Ärzten geben, indem man etwa das Gespräch in der Ordination besser honoriert. Oder psychiatrische und psychologische Therapien zu Kassenleistungen macht. Oder Spitalsambulanzen endlich nachhaltig entlastet. Oder, oder, oder. Die Lösungen liegen auf der Hand, hier und da lassen sich zarte Ansätze von Umsetzung erkennen. Aber besonders die Warnung der WHO, die schon eine "postantibiotische Ära" dräuen sieht, sollte zur Eile gemahnen: Zu viele Pillen helfen weder dem Menschen noch dem System, das sie bezahlen muss. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 2.5.2014)