Bild nicht mehr verfügbar.

"Was Athleten definiert, ist, wie sie mit einer Niederlage umgehen. Was ich tue, nachdem ich verloren habe, zeigt, wer ich bin", sagt der neue Air-&-Style-Boss Shaun White.

Foto: REUTERS/Danny Moloshok

STANDARD: Es ist keine Seltenheit, dass ein sehr erfolgreicher Athlet zu einer Art Popstar wird. Sie haben sogar eine eigene Geschmacksrichtung. Wie schmeckt Shaun White als Kaugummi?

White: Die Kaugummifirma Stride macht diese bizarren und witzigen Werbespots in den USA, und irgendwann haben sie gefragt, ob ich interessiert wäre. Ich musste dann verschiedene Sorten kosten. Wir saßen in einem Raum, haben Kaugummi gekaut, Notizen gemacht und Dinge gesagt wie "ein bisschen zu viel Melone" oder "mehr Banane und Minze". Wir haben dann eine neue Sorte mit Pfefferminzgeschmack kreiert. Sie verkaufte sich so gut, dass wir gleich eine zweite erfunden haben. Die erste heißt Whitemint, die zweite Mintacular. Ich durfte die Namen aussuchen, das war cool.

STANDARD: Sie treten in Filmen und Fernsehserien auf, haben eine Band, eine Modelinie. Liegt das an der Snowboardkultur, die eben auch Lifestylebewegung ist?

White: Niemand wacht eines Morgens auf und denkt: "Ich brauche einen eigenen Kaugummi, ein eigenes Getränk oder eine Kleiderkollektion." Ich war fünf Jahre alt, als ich mit dem Snowboarden begonnen habe. Mit 13 wurde ich Profi. Mit 17 war ich bereits ein bekannter Athlet, der in der Welt herumreiste. Die Dinge passierten einfach. Im Sport bedeutet Style die eigene Interpretation der Tricks. Wenn Sie und ich den gleichen Trick machen, würde das sehr unterschiedlich aussehen.

STANDARD: Ganz bestimmt sogar.

White: Und das ist, was ich daran so liebe. Der Style ist wie deine Handschrift. Es gibt so viele Facetten der heutigen Jugendkultur. Snowboarden ist viel mehr als nur ein Sport, es ist ein Lebensgefühl. Welche Musik du hörst, wie du dich anziehst, wo du rumhängst. Ein Event wie Air & Style muss all das repräsentieren.

STANDARD: Dieses Jahr legen Sie eine kreative Pause ein. Was haben Sie vor mit dem Festival?

White: Ursprünglich wollte ich Air & Style nur in die USA bringen. Dann kam die Idee von neuen potenziellen Veranstaltungsorten auf der ganzen Welt. Ich hoffe, für Air & Style größere Bands zu bekommen, ich möchte mehr Bühnen, verschiedene Sportveranstaltungen, mehr Skateboarding und den Fokus auf Mode und Kunst verstärken. Ich bin mit 14 oder 15 das erste Mal beim Air & Style angetreten. Dann war ich Botschafter in China, und jetzt gehört mir das Event. Air & Style war schon immer genau das, was mich ausmacht - Musik, Mode und Sport.

STANDARD: Wie wollen Sie dieses Lebensgefühl denn dem einzelnen Besucher vermitteln?

White: Vielleicht ist man gekommen, um eine bestimmte Band zu sehen, und plötzlich entdeckt man dann Künstler, die wie in den Straßen von New York gleich über mehrere Tage gigantische Kunstwerke schaffen. Was die Mode betrifft, habe ich einmal eine richtige Modenschau bei einem Event erlebt, das wäre lustig. Gucci wird sich wohl nicht hergeben, aber es geht auch viel mehr um neue Designer.

STANDARD: Wird Air & Style auch in Innsbruck bleiben?

White: Ich bin nicht sicher, ich hoffe. Es ist die Geburtsstätte der Veranstaltung, und ich mag die Leute und das Essen.

STANDARD: Sie sagen, Musik hilft Ihnen, über den vierten Platz in Sotschi hinwegzukommen. Wie blicken Sie auf Olympia zurück?

White: Als Wettkämpfer werde ich das nie vergessen. Aber ich habe während der Vorbereitung so viel gelernt, dass ich am Ende nichts verloren habe. Auf zu neuen Dingen! Hätte ich gewonnen, vielleicht wäre ich in den Ruhestand gegangen, so bin ich nur motivierter als zuvor.

STANDARD: Sie sind seit Ihrer Kindheit erfolgreich. Muss man nicht irgendwann scheitern?

White: Ich erinnere mich, dass ich gedacht habe: "Wow, so fühlt es sich an, die Spiele zu verlieren." Aber ich bin schon öfter gescheitert. Was Athleten definiert, ist, wie sie mit einer Niederlage umgehen. Was ich tue, nachdem ich verloren habe, zeigt, wer ich bin.

STANDARD: Hätten die Olympischen Spiele rückblickend nicht in Russland stattfinden sollen?

White: Es ging ständig nur um Russland und nicht um Olympia. Es war seltsam, als Sportler dort zu sein. Niemand hat dich zu den Läufen befragt, sondern zu deinen Einstellungen. Das war bizarr.

STANDARD: Was halten Sie nach dieser Erfahrung von den Olympischen Spiele in Südkorea 2018?

White: Die Olympischen Spiele sind doch immer ein Drama. Ich erinnere mich an die ersten Spiele nach 9/11. Alle sind ausgeflippt und dachten, dass es einen Anschlag geben wird. Ich war schon in Südkorea, und die Leute waren herzlich und freundlich.

STANDARD: Sie wurden für Ihre sehr gefährlichen Tricks oft kritisiert. Wird der Sport immer gefährlicher?

White: Wahrscheinlich ist die Autofahrt in die Berge gefährlicher als Snowboarden. Es ist ein kalkuliertes Risiko. Die Tricks werden definitiv schwerer, aber parallel dazu hat sich auch die Sicherheitstechnik verbessert.

STANDARD: Kennen Sie Julia Dujmovits?

White: Nein.

STANDARD: Sie hat in Sotschi im Parallelslalom die Goldmedaille für Österreich gewonnen. Glauben Sie, dass Freestyle-Boarding das Alpin-Boarding verdrängen wird?

White: Ich hoffe nicht, um ihretwillen. Es macht sicher Spaß, richtig schnell den Berg herunterzufahren. Beim Freestyle passiert eben mehr, weshalb auch das Zuschauen Spaß macht. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 2.5.2014)