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Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer sieht das für 2016 angestrebte Nulldefizit als Gemeinschaftsprojekt: "Nicht jede Gemeinde, jede Stadt, jedes Land für sich wird es erreichen."

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STANDARD: ÖVP-Chef und Finanzminister Michael Spindelegger hat für die nächsten Jahre die budgetäre "Trendwende" angekündigt - würden Sie heute darauf wetten?

Pühringer: Wetten ist keine politische Kategorie. Die Trendwende ist alternativlos, und sie ist richtig. Man darf nicht auf Kosten der nächsten Generation Politik betreiben. Ich begrüße daher diese Trendwende - bei aller Härte, die sie in allen Ressorts mit sich bringt.

STANDARD: Finanzpolitik hat in Österreich noch selten auf künftige Generationen Rücksicht genommen. Der Staat gibt doch seit über 50 Jahren deutlich mehr aus, als er einnimmt. Als Privater wäre man längst pleite.

Pühringer: Der Vergleich hinkt. Mit dem öffentlichen Haushalt müssen die Pflichtaufgaben erledigt werden, die ein Staat hat. Und Sie müssen die Bedürfnisse der Menschen sehen. Erträge können nicht durch Streichorgien, sondern nur durch Reformen erzielt werden. Die Rasenmäher-Methode hat keinen Sinn.

STANDARD: Aber auch ohne zusätzliche Ertragsmodelle kommt genug herein: Österreich ist ein Hochsteuerland, Steuern und Abgaben liegen weit über dem europäischen Durchschnitt. Der Steuertopf ist stets gut gefüllt, dennoch kommt die Politik nicht damit aus, warum?

Pühringer: Das Problem ist der hohe Schuldenberg. Den hat aber nicht der jetzige Finanzminister verursacht, er muss nur damit umgehen.

STANDARD: Aber es irritiert dennoch, wenn das Ende der Staatsschulden mit dem höchsten Schuldenstand von nunmehr 260 Milliarden Euro eingeleitet wird.

Pühringer: Das ist ja die Begründung für die Notwendigkeit der Trendwende. Und man muss bei solchen Analysen bitte fair bleiben: Der höchste Staatsschuldenstand ist sehr wesentlich durch den freiheitlichen Hypo-Skandal in Kärnten mitverursacht worden. Da hat jemand der Regierung eine Suppe eingebrockt, die Spindelegger jetzt auslöffeln darf.

STANDARD: Große Reformschritte sucht man in der aktuellen Budgetvorlage vergeblich. Eine Folge des Hypo-Schocks oder ein Zeichen genereller Mutlosigkeit in der Politik?

Pühringer: Das Hypo-Debakel hat der Bundespolitik sicher eine gewisse Genickstarre versetzt. Es steht außer Frage, dass das eine bittere Sache für den Finanzminister war - aber eben alternativlos. Für die Lösung muss man Spindelegger auch dankbar sein. Jetzt muss aber vor allem in der Frage der Reformen der Turbo eingeschaltet werden. Und ich bin daher froh, dass die Verwaltungsreformkommission ihre Tätigkeit aufnehmen wird, und ich erwarte mir hier schon ordentlich Arbeit. Denn eines ist klar: Wenn wir als Standort Zukunft haben wollen, dann müssen wir endlich entbürokratisieren. Ich werde mich in diesen Prozess auf jeden Fall auch persönlich einbringen - Oberösterreich wird aufzeigen, was man in der Bundesgesetzgebung alles vereinfachen kann. Das ist ein Gebot der Stunde.

STANDARD: Für alte Probleme immer neue Kommissionen - eine doch sehr typisch österreichische Lösungssuche, oder?

Pühringer: Aber es braucht eine ordentliche Vorbereitung. Eine Reform muss aufgesetzt werden, und eine Reform muss ein Gesamtkonzept beinhalten, sonst kommt nichts heraus. Ich erwarte mir jetzt, dass durch die Arbeit der Verwaltungsreformkommission der Politik Möglichkeiten auf den Tisch gelegt werden. Dann muss die Politik handeln. Natürlich bedeutet Entbürokratisierung auch in manchen Bereichen weniger Sicherheit und mehr Eigenverantwortung. Aber die Bürokratie ist überbordend - sowohl von der EU als auch von den Nationalstaaten. Daher muss im Verwaltungsbereich der Blitz einschlagen.

STANDARD: Warum soll die Reform jetzt plötzlich gelingen, die Probleme sind doch seit Jahrzehnten bekannt, Lösungen blieben aber bis dato weitgehend aus?

Pühringer: Ich bitte um Fairness. Die Pensionsreform ist im Regierungsübereinkommen relativ genau definiert. Und wir werden in dieser Periode, sofern alles funktioniert, das tatsächliche Pensionsantrittsalter um eineinhalb Jahre hinaufbekommen. Wenn jetzt die Verwaltungsreformkommission noch vor dem Sommer zu arbeiten beginnt, erwarte ich auch konkrete Ergebnisse. Da werde ich genau darauf achten, dass etwas passiert. Und wir müssen in Richtung Brüssel vehement unsere Forderungen stellen, es müssen viele Regulierungen zurückgenommen werden.

STANDARD: Wie realistisch ist ein strukturelles Nulldefizit 2016?

Pühringer: Die Vorgaben des Finanzministeriums laufen darauf hinaus. Ich glaube, dass Länder und Gemeinden das in Summe erreichen können. Nicht jede Gemeinde, jede Stadt, jedes Land für sich wird es erreichen - aber gemeinsam, über den Gesamtstaatshaushalt, ist ein Nulldefizit als Zielvorgabe ambitioniert, aber machbar.

STANDARD: Das Geld fließt künftig vor allem in Richtung Banken und Pensionen. Gespart wird unter anderem bei der Bildung - ist das nicht hochriskant, ausgerechnet bei den Schlüsselressorts den Sparstift anzusetzen?

Pühringer: Die Fragestellung beinhaltet schon eine gewaltige Polemik. Wenn man die Milliarden, die in Richtung Schule und Universitäten fließen, den Milliarden der Banken gegenüberstellt, dann vermittelt man der Bevölkerung einen völlig falschen Eindruck. Das Universitätsbudget wird in den nächsten Jahren gewaltig erhöht. Und im Bildungsbereich steht derzeit lediglich zur Diskussion, dass der Ausbau der Ganztagsschule zeitlich etwas gestreckt wird. Was natürlich nur eine Übergangslösung sein kann. Die schulischen Strukturprobleme löst man damit nicht.

STANDARD: Das Bildungsministerium muss heuer etwa 87 Millionen Euro und im kommenden Jahr 90 Millionen Euro einsparen, beim Schulbauprogramm gibt es Kürzungen. Heinrich Schmidinger, Präsident der Universitätenkonferenz, sieht für die Universitäten ab 2016 "keine Perspektiven". Und die Fachhochschulen beklagen, dass mit den für einen Ausbau vorgesehenen 56 Millionen Euro die im Regierungsprogramm vereinbarten 50.000 Plätze bis 2018 nicht erreicht werden könnten. Also alles nicht ganz so rosig im Bildungsbereich, oder?

Pühringer: Natürlich muss auch in den kommenden Jahren im Bildungsbereich ein noch stärkerer Schwerpunkt gesetzt werden. Gelder, die jetzt sinnlos für die Doppelverwaltung im Schulbereich ausgegeben werden, müssen gehoben werden. Da hat man Potenziale. Aber es ist zweifelsfrei so, dass an höheren Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung kein Weg vorbeiführt.

STANDARD: Als Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) jüngst ihre Sparpläne präsentierte, war der Aufschrei - auch von Ihrer Seite - groß. Kommt der Sparzwang aus den eigenen Reihen, bleibt der Protest aus, warum?

Pühringer: Spindelegger hat keine Vorschläge gemacht, die bei einer Kürzung in der Klasse ankommen. Es hat eine Einsparungsvorgabe gegeben. Und die Ministerin hat es mit der Rasenmäher-Methode versucht, was nicht unbedingt klug war. Aber sie hat den Fehler eingestanden, was ich respektiere. Eine Schulreform wird es dennoch brauchen, denn wir haben im Schulbereich eine klassische und sehr teure Doppelverwaltung. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 2.5.2014)