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Die Geierschildkröte (hier ein etwa 15-jähriges Exemplar) ist nur eine von drei Spezies der Gattung Macrochelys.

Foto: EPA/Stephan Jansen

Gainesville - Mit einem Körpergewicht von bis zu 100 Kilogramm und einer Panzerlänge von bis zu 90 Zentimetern ist sie eine der größten Süßwasserschildkröten der Welt: Macrochelys temminckii, die Geierschildkröte. Optisch erinnert das Reptil aus der Familie der Alligatorschildkröten ziemlich an einen Dinosaurier: Die Rückenschilde sind höckerartig nach hinten gezogenen, der stark hakige (und überaus kräftige) Oberkiefer ist zu einem länglichen Schnabel gebogen, Kopf und Hals sind mit stachelartigen Tuberkeln übersät. 

Heimisch sind die Tiere vor allem im Südosten der USA, in größeren Gewässern mit schlammigem Grund sowie Flussystemen, die in den Golf von Mexiko münden. Das Wasser verlässt die Geierschildkröte nur zur Eiablage, ansonsten geht sie meist der Jagd nach Fischen, kleineren Reptilien, Wasservögeln und Insekten nach. Und das auf ziemlich bemerkenswerte Weise: Sie liegt dabei mit offenem Maul auf der Lauer und wartet, bis ihr die Beute buchstäblich ins Maul schwimmt. Mit ihrem rötlichen, beweglichen Zungenfortsatz werden Beutetiere angelockt, die versuchen, den vermeintlichen Wurm zu schnappen. Bis sie ihren Irrtum bemerken, ist es üblicherweise schon zu spät.

Drei Macrochelys-Spezies

Bisher wurde M. temminckii für die einzige rezente Vertreterin der Gattung Macrochelys gehalten. Nun fanden Forscher der University of Florida in Gainesville heraus, dass es sich bei der bisher so klassifizierten Art in Wirklichkeit um drei biogeografisch abgegrenzte Spezies handelt. Travis Thomas und seine Kollegen untersuchten über mehrere Jahre hinweg vermeintliche Exemplare der Macrochelys temminckii in der Golfküstenregion sowie Fossilienfunde. Wie die Forscher im Fachmagazin "Zootaxa" berichten, zeigten sich bei DNA-Vergleichen und Messungen der Schädel und Panzer deutliche Unterschiede zwischen den Tieren: Je nachdem, in welchen Flussystemen sie lebten.

Die am westlichsten, in den Flußsystemen des Mississippi und des Mobile River beheimatete Art gilt weiterhin als Macrochelys temminckii. Die neu entdeckte Spezies Macrochelys apalachicolae ist entlang ausgedehnter Flüsse in Alabama, Georgia und Florida (etwa dem Apalachicola River) beheimatet. Als dritte Spezies wurde schließlich Macrochelys suwanniensis identifiziert, die ausschließlich im Bereich des Suwannee Rivers in Florida und Georgia vorkommt und sich am deutlichsten von den beiden anderen Arten unterscheidet.

Leben in Isolation

"Anders als Schnappschildkröten wandern die Arten dieser Gattung nicht in andere Flüsse, leben also regional isoliert", sagt der Evolutionsbiologe Joe Roman. "Es war daher nicht überraschend, dass genetische Unterschiede bestehen - mit dem Ausmaß hatten wir aber dennoch nicht gerechnet." Die Forscher vermuten, dass die letzten gemeinsamen Vorfahren der heutigen Spezies vor 9,6 bis 5,9 Millionen Jahren lebten.

Mit der Anzahl der Spezies dieser Schildkrötengattung steigt übrigens auch jene der gefährdeten Arten: Vor allem als Hauptzutat von Schildkrötensuppe wurden die Populationen der ursprünglich in großer Zahl vorkommenden Tiere bis in die 1980er Jahre stark dezimiert. Trotz Verbots werden sie nach wie vor zum Verzehr gejagt oder als exotische Haustiere gehandelt. (dare, derStandard.at, 30.4.2014)