Bei Microsoft betrachtet man den traditionellen Bürojob als Auslaufmodell.

Foto: saragoldsmith / CC BY 2.0 http://flic.kr/p/5SHide

Nichts Geringeres als das Ende des "traditionellen" Büroalltags fordert Microsoft Deutschland in einem kürzlich veröffentlichten Manifest. Die Grundbotschaft: In einer digital vernetzten Welt sind effizientere Abläufe und Strukturen möglich, von denen sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter profitieren sollen. Dazu hat man auch "33 Regeln erfolgreicher digitaler Pioniere" gemeinsam mit dem Autoren Markus Albers erarbeitet.

"Arbeit, wie wir sie wollen"

Von neun bis siebzehn Uhr unter der Aufsicht des Chefs im Büro zu sitzen, sei nicht mehr zeitgemäß, so die Botschaft unter dem Credo "Sie nannten es Arbeit, für uns ist es unser Leben". Gleichzeitig kritisiert man auch gängige Hierarchien, in welcher Mitarbeiter gemäß der Skizzierung zu autonomielosen Befehlsempfängern degradiert sind.

"Wir sind Wissensarbeiter ... und tragen mit unserem Wissen wesentlich zur Wertschöpfung der Unternehmen bei", so das auch im Internet veröffentlichte Schreiben. "Wir arbeiten gerne, motiviert und engagiert, stoßen aber täglich an Grenzen, die wir nicht länger akzeptieren." Es gehe ums "Recht auf Arbeit, so wie wir sie wollen."

Schreibtisch obsolet

Das Werkzeug, das man heutzutage zum Arbeiten einsetzt, führe mittlerweile ohnehin jeder in seiner Hosen- oder Aktentasche mit sich. Man könne mit ihnen gleichzeitig miteinander in "virtuellen Teams" an Projekten arbeiten, egal wo und in welcher Zeitzone man sich befinde. Damit falle die Notwendigkeit eines fixen, zentralen Arbeitsplatzes weg.

Neue Personalpolitik

Konsequenzen sieht man in der Hinsicht auch für die Personalpolitik. Statt alle Talente in die Zentrale zu beordern, würden moderne Firmen diese weltweit dort werken lassen, wo sie wollen. Microsoft wolle ein Modell finden, um als 150.000-Mitarbeiter-Konzern trotzdem funktionieren zu können, wie ein Startup.

Arbeitsteams sollten künftig auch nicht mehr von fixen Vorgesetzten geleitet werden, sondern von den jeweiligen Projektverantwortlichen, die in einer flachen Hierarchie auf die Eigeninitiative ihrer Mitarbeiter setzen. Diese wiederum sollen nicht nach ihrer abgedienten Arbeitszeit beurteilt werden, sondern nach ihrem Output und dem Vergleich mit ihren Kollegen.

Arbeit und Freizeit mischen

"Was sprich dagegen, Arbeit und Freizeit zu mischen (...) und dann produktiv, kreativ und rekreativ zu sein, wenn es möglich oder nötig ist? Es spricht alles dafür", argumentiert man für das Ende des 9-to-5-Jobs. Gleichzeitig fordert man selbstbestimmte Freizeit, in der man auch ausreichend Zeit für Familie und Freunde aufwenden kann.

Für diesen Wandel müssen sich auch die Mitarbeiter selber ändern, da mit den gewonnenen Freiheiten nicht jeder sofort umgehen werden könne. Die Zukunft sieht man allerdings rosig: "Wir werden (...) kreativer und produktiver sein, als unsere Eltern und Großeltern." 

Produkte als Erlebnis

Auch im Produktbereich müsse man umdenken. Kunden gehe es nicht mehr um den Besitz der Produkte, sondern "um Erlebnisse um Zugang", ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Cloud. Außerdem müsse man, um erfolgreich zu sein, nicht mehr unbedingt der erste auf einem neuen Markt sein, sondern mit Design und Usability glänzen.

Diesen Ideen folgend, hat Microsoft das Büro seines Österreich-Standorts bereits vor drei Jahren umgerüstet. Neben tradtionellen Arbeitsplätzen finden sich dort offene, in verschiedenen Themen gestaltete Sitzungsräume, Freizeitareale als auch Rückzugsmöglichkeiten für Ruhe oder konzentriertes Arbeiten im Stillen. Arbeit wird von vielen Mitarbeitern nicht mehr in der Zentrale erledigt, sondern unterwegs oder von zu Hause.

Gefahren und Risiken

Insgesamt spiegeln die Forderungen den bereits beobachtbaren Wandel der Arbeitskultur in vielen US-Techunternehmen wieder, der sich in Europa bislang kaum vollzieht. Während die potenziellen Vorteile von zeitlich und örtlich flexibleren Dienstverhältnissen hervorgehoben werden, bleiben Gefahren und Kritikpunkte nahezu unerwähnt.

So merkt Heise etwa an, dass Yahoo-Chefin Marissa Mayer in ihrem Unternehmen eine Kehrtwende eingeleitet und für viele Mitarbeiter die einst aufgehobene Büropflicht wieder eingeführt hat. Markus Albers ortet dafür allerdings Abwanderungsbewegungen des Personals als Grund. So sollen Mitarbeiter aus Sorge um ihren Verbleib bei dem angeschlagenen Konzern zunehmend Firmen im eigenen Büro gegründet haben.

Unerwähnt sind auch die Risiken, die sich aus der Mischung zwischen Arbeits- und Freizeit in Verbindung mit ständiger Erreichbarkeit ergeben und somit eine Gefahr für die im Manifest wiederum beschworene "Work-Life-Balance" darstellen.

Diskussion

Die Präsentation der Dokumente soll laut Microsoft nur der Anfang gewesen sein. Man erhofft, auf diesem Wege eine öffentliche Debatte über moderne Arbeitskultur anstoßen zu können. Auf der Anfang Mai stattfindenden re:publica-Konferenz soll zudem eine Paneldiskussion stattfinden. (gpi, derStandard.at, 30.04.2014)