Avatare fürs Alter: So wünschen sich niederländische Senioren ihre virtuelle Begleitung.

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Kufstein - Schulterlanges blondes Haar, blaue Augen, ein sanftes Lächeln umspielt ihre vollen Lippen; die auf dem Bildschirm sichtbare Hals- und Schulterpartie lässt vermuten, dass es sich um eine schmal gebaute junge Frau handelt. So wünschen sich die niederländischen Senioren ihren Alltagsbegleiter. Mit diesem Avatar wird das System dort auch derzeit in einem Pflegeheim getestet.

Der "charmante österreichische Wunsch" ist ein anderer, wie Klemens Auinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule Oberösterreich, herausgefunden hat: "Bei uns hätte man lieber einen Prominenten. Sich etwa von Armin Assinger pflegen zu lassen, das würde den Leuten gefallen", erklärt er beim achten Forschungsforum der österreichischen Fachhochschulen in Kufstein.

Erinnerung an Medikamente

Ganz so weit ist man noch nicht. Das von der Europäischen Kommission geförderte Projekt wurde vergangenes Jahr mit dem Ziel ins Leben gerufen, einen virtuellen persönlichen Assistenten für die Selbst- und Laienpflege zu entwickeln. Über den Fernsehbildschirm oder das Smartphone ist dann eben ein Avatar zu sehen, der sich selbstständig einschaltet und einen etwa daran erinnert, Medikamente einzunehmen. Menschen sollen dadurch länger selbstbestimmt im eigenen Umfeld bleiben können.

"Das Unterstützungssystem soll einerseits den Laienpfleger entlasten und andererseits dem Gepflegten ein Begleiter sein", sagt Auinger. Die Fachhochschule Oberösterreich arbeitet dafür unter anderem mit der Technischen Universität Graz, der Hochschule Luzern, der Volkshilfe, einem niederländischen Softwarehersteller und einem belgischen Fernseherproduzenten zusammen. Das gemeinsam entwickelte System eignet sich für Menschen mit leichtem oder mittlerem Pflegebedarf. Ein deutschsprachiger Prototyp soll in ein bis zwei Jahren getestet werden können.

Das größte Problem, auf das man derzeit noch stoße: lokale und kulturelle Eigenheiten. So würden nicht nur Niederländer lieber von einer Blondine als einem Showmaster unterstützt; die Wünsche unterscheiden sich auch innerhalb eines Landes: "Der Tiroler will nicht mit einem Avatar leben, der Wienerisch spricht", sagt Auinger. Unterschiedliche Sprachfärbungen seien dabei kein technisches Problem, sondern vor allem eine Kostenfrage.

Vernetzt mit der Haustechnik

In Zukunft könnte es möglich sein, dass das System nicht nur eine Alarmfunktion beinhaltet, an Termine und Tabletten erinnert sowie Gesundheitsinformationen abspeichert, sondern mit dem ganzen Haus vernetzt ist. "Die Idee wäre, dass man den Avatar anweisen kann, in der Küche das Licht einzuschalten oder im Bad die Heizung abzudrehen", sagt Auinger.

Wichtig sei in jedem Fall, dass der Nutzer zu seinem virtuellen Pfleger eine emotionale Bindung aufbaut, ihn dann etwa auch einmal anschreit: "Bestens funktioniert das mit dem Navigationssystem im Auto, über das man sich regelmäßig ärgert. Aus Entwicklersicht ist das großartig."

Das Projekt macht deutlich, was vor der Präsentation des Projekts auf einem Podium des Kufsteiner Forums besprochen wurde: den Nutzen, wenn Industrie und Wissenschaft zusammenarbeiten. "Das Hauptproblem der Kooperation ist bis heute, dass es allzu oft gar nicht dazu kommt", sagte dort Peter Rössler, Professor an der FH Technikum Wien.

Gerade an Fachhochschulen kommen die Lehrenden zwar häufig aus der Praxis, "trotzdem sind doch die wenigsten Werbeexperten - was für eine erfolgreiche Vermarktung der Portfolios bis zu einem gewissen Grad notwendig ist", fügt Erwin Zinser von der Fachhochschule Joanneum an.

Ein Avatar-basiertes Unterstützungssystem gebe es in dieser Form noch nicht, erklärt Auinger. Die Industrie konzentriere sich hauptsächlich auf Pflegeroboter, die jedoch vom Nutzer wesentlich mehr Aufgeschlossenheit gegenüber neuer Technik abverlangen würden. "Dafür braucht es eben Menschen aus der Praxis und wissenschaftliche Studien - damit die Menschen die entwickelten Systeme dann auch annehmen." (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 30.4.2014)