So groß wie der Querschnitt eines Haares: Mikroheizplatte eines Gassensors.

Foto: fhwn

Wiener Neustadt - In Zukunft könnten Lüftungs- und Klimaanlagen automatisch auf die Luftqualität in einem Raum reagieren und bei unangenehmen Gerüchen oder stickiger Luft Gegenmaßnahmen ergreifen. Heizungsanlagen werden dann vielleicht von selbst erkennen, wenn Gas austritt, und selbsttätig Einsatzkräfte informieren. Und die multifunktionalen tragbaren Computer, die Smartphones genannt werden, könnten um eine ganze Reihe von Funktionen erweitert werden - und etwa den Blutzuckerspiegel in der Atemluft ihrer Benutzer messen. Oder deren Alkoholspiegel.

Eine Voraussetzung für solche Anwendungen sind Gassensoren, die kostengünstig in hohen Stückzahlen gefertigt werden können, und die - besonders beim Einsatz in Handys - möglichst wenig Energie und Platz benötigen. Alexander Nemecek, Fachbereichsleiter für Micro- & Nanosystems der Fachhochschule Wiener Neustadt, hat mit seinen Kollegen Mikro-Gassensoren konzipiert, die diese Anforderungen erfüllen und in einen Halbleiterchip integriert werden können. Gemeinsam mit dem Unternehmenspartner AMS AG (früher Austria Micro Systems) haben die Forscher zudem die für derartige Chips notwendigen mikroskopisch kleinen Heizelemente entwickelt.

Das Vorkommen von Gasen, beispielsweise Methan oder Kohlenmonoxid, wird typischerweise mithilfe von Metalloxiden gemessen, die sehr stark erhitzt werden müssen, erklärt Nemecek. Bei Temperaturen von 400 bis 450 Grad Celsius gehen die Gasmoleküle Bindungen an der Oberfläche des Metalloxids ein. Das Andocken der Fremdatome hat Auswirkungen auf die Leitfähigkeit des Materials. Daraus kann wiederum auf die Konzentration des Gases geschlossen werden.

Um ein Heizelement mit einer Leistung von 450 Grad in einen Chip zu integrieren, musste es nicht nur miniaturisiert, sondern auch in seinem Energieverbrauch optimiert werden. "Unsere winzige Herdplatte misst nur 100 mal 100 Mikrometer. Das Element ist filigran wie ein Spinnennetz, und es verbraucht nur 20 Milliwatt an elektrischer Leistung. Die Temperatur verteilt sich konstant und gleichmäßig", sagt Nemecek.

100 Mikrometer sind ein Zehntelmillimeter und entsprechen etwa der Dicke eines Menschenhaars. "Das ist so klein, dass man die 450 Grad nicht einmal spüren würde, wenn man draufgreift", sagt der Forscher. "Die Temperatur würde vom Finger absorbiert, das Heizelement sofort abkühlen." Die notwendige elektrische Leistung liege in einem Bereich, der auch für mobile, Akku-betriebene Geräte erreichbar sei.

Die notwendige Hitze werde zuverlässig und schnell erzeugt: Nur zehn bis 20 Millisekunden benötigt das Heizelement, um von Raumtemperatur auf 400 Grad zu kommen, erläutert Nemecek. Pro Sekunde könne es sich 50-mal aufheizen. Zehn Millionen Messzyklen würde die Konstruktion bestehen. Nemecek: "Das funktioniert relativ robust."

Das Konzept des smarten Gassensors wurde von Nemecek und seinen Kollegen im Rahmen des EU-Projekts Cocoa ("Chip-On-Chip technology to Open new Applications") entwickelt. Das Ziel des Projekts, verschiedene Halbleiter-Technologien zu kombinieren, um etwas Neues zu schaffen, sei mit dem Proof of Concept für den Sensorchip gelungen, sagt der Forscher.

Alles auf einem Chip

Die Integration auf einem Chip ebnet den Weg für einen breiten Einsatz der Technik. Sowohl die Elektronik, die den Sensor steuert, als auch jene, die die Messwerte in elektronische Signale umwandelt, sind auf dem Bauteil vereint. Dabei seien pro Chip eine ganze Reihe von Gasen messbar: Ein Mehrkanalsystem von sechs Heizelementen pro Chip sei möglich, so der Forscher. Da unterschiedliche Gase bei unterschiedlichen Temperaturen reagieren, könnten mit einem Heizelement zudem mehrere Gasarten gemessen werden, erläutert Nemecek das Potenzial der Entwicklung. (pum, DER STANDARD, 30.4.2014)