Wien - Dass sich Journalisten, aber auch die Medien für die sie arbeiten, heutzutage in sozialen Netzwerken bewegen müssen, steht wohl außer Diskussion. Bei vom Verlag Manstein und dem Verband der Österreichischen Zeitungsherausgeber (VÖZ) veranstalteten Tag des Qualitätsjournalismus befasste sich eine Podiumsdiskussion damit, ob Twitter, Facebook und Co. Zeitverschwendung oder Bereicherung sind.

Anna Maria Wallner, Medienredakteurin der Tageszeitung "Die Presse", stellte gleich zu Beginn fest, dass es eigentlich keine Frage sei, ob man als Journalist soziale Netzwerke brauche. Das sei so, als hätte man vor 15 oder 20 Jahren in der Branche gefragt, ob man für die Arbeit Computer benötige. Ähnlich Susanne Dengler vom Institut für Journalismus der TU Dortmund: Der deutschsprachige Raum sei nach einer Studie aus England Entwicklungsgebiet bei sozialen Netzwerken. "Die Frage nach der Zeitverplemperung würde sich in anderen Kulturen gar nicht stellen."

Wallner sprach darüber hinaus altersbedingte Unterschiede an. Junge Kollegen würden sich häufiger und leichter in sozialen Netzwerken bewegen als ältere, sie hätten aber auch mehr Angst vor "Shitstorms".

'Schreib des net, sei nicht deppert'"

Das führe mitunter bis zu vorauseilendem Gehorsam, erzählte Armin Thurnher, Herausgeber der Wiener Stadtzeitung "Falter": "Junge Kollegen kommen manchmal zu mir und sagen: 'Schreib des net, sei nicht deppert.'" Er sei mehrfach als unverbesserlicher Reaktionär gebrandmarkt worden. "Der Shitstorm geht vorüber, die Charakterisierung bleibt."

Lackner: Erregungspegel steigt schnell

Der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "profil", Herbert Lackner, erinnerte in diesem Zusammenhang an einen niederösterreichischen FPÖ-Politiker, dessen Namen er vergessen habe und dessen Rede im Landtag ob ihrer Unzulänglichkeit auf Youtube schon 870.000 Mal angeklickt wurde. Auch Laura Rudas' Antrittsrede im Parlament habe schon mehr als 500.000 Klicks erhalten. Ihn störe zudem, wie schnell der Erregungspegel in den Social Networks steige. Beispiel Andreas Mölzer: "Auf Facebook hatte man den Eindruck, morgen findet die nationalsozialistische Machtübernahme in Österreich statt. Das war mir schon ein bisschen zu erregt."

Das Erregungspotenzial sei aber auch schnell wieder weg, sagte Hermann Petz, Vorstandsvorsitzender der Moser Holding. "Eines kann man sich sicher sein: Dass am nächsten Tag wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben wird."

Leser, die man mit Print nicht erreicht

Petz schilderte, dass sein Unternehmen soziale Netzwerke als Chance begreife. Die "Tiroler Tageszeitung" sei dazu angehalten, dass viele Artikel auf Facebook gestellt werden. Jeder Redakteur sei zudem dafür verantwortlich, dass nach spätestens einer Stunde ein Kommentar zu einer Geschichte auch beantwortet werde. Facebook sei eine gute Gelegenheit, an Leser zu kommen, die man mit der Printausgabe nicht erreichen würde. Die Gefahr der Gewöhnung an eine Gratis-Kultur sehe er so nicht. Er sei zuversichtlich, ein Business-Modell zu finden, mit dem später auch gegen Geld Inhalte an die Leser gebracht werden könnten. Gerald Reischl, Leiter der Redaktion von "futurezone.at", machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass Artikel in den Netzwerken nicht verschenkt würden. "Sie werden angeteased."

Blieb die Frage, wie sich die Mitarbeiter von Medien selbst in sozialen Netzwerken verhalten sollen. Manfred Perterer, Chefredakteur der "Salzburger Nachrichten", sagte, dass genau dazu derzeit in seinem Unternehmen eine Diskussion stattfinde. Anlassfall war unter anderem, dass während des Wahlkampfes zur Wahl in der Stadt Salzburg ein Mitarbeiter den Bürgermeister "geliked" habe, ein anderer den Gegenkandidaten. Er stehe auf dem Standpunkt, dass Mitarbeiter, die in der Öffentlichkeit auftreten, auch als solche wahrgenommen würden. Man dürfe nicht vergessen, wenn man etwas auf Facebook verbreite, bekomme das "eine große Öffentlichkeit".

Dazu Fengler: Es müsse diskutiert werden, wie man als Medienmitarbeiter mit der Privatsphäre umgehe. "Muss man das Thema nicht in den Pressekodex aufnehmen?", fragte die Wissenschafterin. (APA, 29.4.2014)