Die d'Ornanos: Hubert und Isabelle haben die Kosmetikmarke Sisley 1976 gegründet, Philippe und Christine übernehmen die Geschäfte.

Foto: Janis Ratnik/Sisley

Die drei Säulen von Sisley: Kosmetik auf Pflanzenbasis, Make-up mit Pflegewirkung und Parfum in teuren Flakons.

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Das Leben im 21. Jahrhundert ist eine recht profane Sache, vor allem dann, wenn man es mit früheren Zeiten vergleicht - Paris im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Beispiel. Davon erzählt Marcel Proust in seiner "Suche nach der verlorenen Zeit". Da gab es Salons, in die jeder eingeladen werden wollte, es gab exzentrische Salondamen, die um ihrer Allüren willen geliebt werden wollten. Und es gab jene, die sich dort bei Champagner die Mäuler zerreißen wollten. All das ist vorbei, könnte man meinen, wenn man nicht weiß, dass da und dort auch in der Pariser Metropole die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.

Zum Beispiel an der Adresse 73, Quai d'Orsay. Das ist an der Rive Gauche, direkt an der Seine-Brücke Pont d'Alma. Isabelle d'Ornano, Gründerin und Vizepräsidentin der Luxuskosmetikmarke Sisley, hat anlässlich der Lancierung des neuen Parfums Eau tropicale zum Lunch zu sich nach Hause eingeladen. Wer ihre Welt betritt, fühlt sich in die Belle Époque zurückversetzt. Die Augen brauchen Zeit, bis sie sich an die vielen Sofas, Tischchen und Skulpturen im Raum gewöhnt haben. Opulente Tapeten, Nippes, Kunst an den Wänden: Auf einem Paravent dazwischen sind Kinderfotos mit Stecknadeln angepinnt - dazwischen ein Bild der Gastgeberin bei einer Papst-Audienz. So privat wie die Atmosphäre gibt sich auch die Gastgeberin. Isabelle d'Ornano ist 1937 geboren, trägt ein mädchenhaftes mauve-lila Kleid und Turnschuhe mit Glitzer. Noch immer gilt sie als eine der am besten angezogenen Frauen in Paris - und ist Meisterin der gepflegten Konversation.

Opulente Überladenheit

Warum das Flakon ihres neuen Parfums Eau tropicale die polnische Künstlerin Krystyna Radziwill entworfen hat? Weil sie selbst eng mit Polen verbunden ist und dort geboren wurde. An den Wänden hängt ein Bild des Schlosses, in dem sie ihre ersten Lebensjahre verbracht hat, später zog die Familie nach Spanien, wo der Vater als Diplomat wirkte. Es sei ein schöner Zufall, dass auch ihr Mann in Polen geboren ist und eine Zeitlang dort gelebt hat, jedenfalls sprechen sie und ihr Mann miteinander Polnisch, und nein, ihre fünf Kinder hätten die Sprache nie gelernt, schließlich haben sie immer in Frankreich gelebt, plaudert sie munter drauflos.

Ihr Sohn Philippe kommt auch zum Lunch vorbei, begrüßt seine Mutter respektvoll mit den drei für Frankreich obligatorischen Küsschen: rechts, links, rechts. Es gibt Gänseleber, man nimmt sich, setzt sich irgendwo hin und will Isabelle d'Ornano weiter zuhören. "Wenn die Geschäfte gutgehen, kaufen wir ein bisschen Kunst", erzählt sie. Zwischen all der opulenten Überladenheit gibt es viele moderne Bilder - das macht Isabelle d'Ornanos Einrichtungsstil eklektizistisch. Sie stelle auch ständig Möbel um, sagt sie, aber ihr Mann Hubert möge das. Isabelle d'Ornano ist eine Salondame im allerbesten Sinn.

Sisley ist ein Kosmetikkonzern und Familienunternehmen seit drei Generationen. Großvater Comte Guillaume d'Ornano hat zu Zeiten, als Marcel Proust seine Romane schrieb, mit dem legendären französischen Parfümeur François Coty gearbeitet und sich nach dessen Tod selbstständig gemacht. Lancôme war ein Wald, der zum Anwesen der Familie gehörte und zum Namensgeber der ersten Kosmetiklinie wurde. D'Ornanos drei Söhne gründeten später die Marke Orlane, verkauften sie aber wieder, als einer der Brüder in die Politik wechselte.

1976 wollten Hubert d'Ornano und seine junge Frau Isabelle etwas ganz Neues starten, aber auf alter Expertise aufbauen. "Wir haben zu einer Zeit begonnen, mit Pflanzen zu arbeiten, als noch niemand in der Kosmetik daran dachte", erzählt Isabelle d'Ornano. Beim Namen Sisley habe man sich am impressionistischen Maler Alfred Sisley inspiriert, sagt sie, mit der gleichnamigen Modemarke hätte man, wie viele vermuten, gar nichts zu tun.

Phytokosmetik

Ätherische Pflanzenöle und hochwertige Inhaltsstoffe sind die Grundlage für das, was Sisley als Phytokosmetik der Luxusklasse in vielen Ländern zum Marktführer gemacht hat, vor allem auch in Asien, "dort arbeitet die Medizin ja auch sehr viel mit Pflanzenwirkstoffen", sagt Philippe, "damit ist man dort vertraut". Sisley exportiert weltweit in 94 Länder, macht 500 Millionen Euro Umsatz im Jahr und beschäftigt 4000 Mitarbeiter, ein Viertel davon in Frankreich. "Der Kontakt mit den Leuten, die für uns arbeiten, ist uns sehr wichtig, von ihnen kommen schließlich die Ideen, die wir für Innovationen brauchen", sagt Philippe d'Ornano, der mit 50 Jahren die Geschäfte übernommen hat. Er und seine Schwester Christine sind die neue Generation, die trotzdem an alten Werten festhält.

So müsste jeder, der für Sisley arbeitet, nach der Probezeit einen Bericht über die ersten Eindrücke schreiben, erzählt er, Kritik sei ausdrücklich erwünscht. Sein Vater (88) liest diese Berichte bis heute aufmerksam. Denn Optimierung ist seit Jahrzehnten Hubert d'Ornanos Geheimnis. 150 Millionen Euro investiert Sisley pro Jahr in die Forschung, und solange seine 77-jährige, immer noch bildschöne Frau Isabelle nicht mit Innovationen zufrieden ist, käme kein einziges Sisley-Produkt auf den Markt. Isabelles Instinkt ist untrüglich und für den Erfolg von Produkten wie der Emulsion Écologique, der Pflegelinie Sisleya und vor allem den Sonnenprodukten verantwortlich, Bestseller seit Jahren. "Madame ist anspruchsvoll und gibt ihren Sanktus erst, wenn sie hat, was sie will", erzählt eine Mitarbeiterin beim Lunch.

Isabelle d'Ornano ist bereits beim Kaffee, zu dem ein eleganter Berg Schokolade gereicht wird. "Nous, on est très chocolat", lächelt sie und meint den Schokohunger ihrer Familie. In Prousts "Suche nach der verlorenen Zeit" gab es den doch auch, oder? (Karin Pollack, Rondo, DER STANDARD, 2.5.2014)