Junge Menschen müssten kreativ, mündig, selbstbewusst und teamorientiert sein. Das läge auch im Verantwortungsbereich der Lehrer, die sie unterrichten, sagt ein Experte.

Foto: STANDARD/Walkobinger

Josef Hörndler will Freiräume an den Schulen nützen.

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Wien/Amstetten - Die aktuelle Debatte über den Sparbedarf im Bildungsbudget verfolgt Josef Hörndler, langjähriger Bezirksschulinspektor im niederösterreichischen Bezirk Amstetten, mit Gelassenheit. Zu viele Bildungsminister hat er in seiner Laufbahn Reformversuche angehen und wieder zurücknehmen sehen.

Was Hörndler - bis 2003 selbst Hauptschullehrer für Mathematik, Geschichte, Informatik und Turnen - vermisst, ist ein Konzept, das sich nicht mit dem "Drehen an einzelnen Schrauben" zufriedengibt. Politisch umsetzbar durch "mehr Autonomie für die einzelnen Schulstandorte", damit diese ihre Unterrichtsstunden so einsetzen können, wie sie es brauchen. Auf Reformen von oben, die in den Bildungshimmel führen, will der Schulexperte nicht mehr warten: "Wir müssen uns Ziele stecken, die über den politischen Alltag hinausreichen. Wir müssen uns fragen, welche Kompetenzen Schüler in 20, 30 Jahren brauchen, worauf sollen wir sie vorbereiten?" Hörndlers Antwort: Junge Menschen müssten kreativ sein, teamorientiert, verantwortungsbewusst an Probleme herangehen. "Und sie müssen mündig sein, sich stärker an der Demokratie beteiligen. Das alles muss Schule ermöglichen und forcieren."

Also hat er im Vorjahr begonnen, Wissenschafter wie den deutschen Neurobiologen und Mitinitiator von "Schule im Aufbruch", Gerald Hüther, die Leiterin der evangelischen Schule Berlin Zentrum, Margret Rasfeld, oder den Erziehungswissenschafter Falco Peschel "als Impulsgeber" einzuladen. Über 800 Lehrer saßen damals im Publikum, die darin bestärkt wurden, ihren Weg zu gehen - unabhängig von den Widrigkeiten der Strukturen.

Rund 30 Pflichtschulen haben danach begonnen, im Unterrichtsalltag konkrete Dinge zu verändern, erzählt Hörndler. "Einige haben einen Klassenrat eingeführt, bei dem sich der Lehrer wirklich zurücknimmt und die Schüler ihre Anliegen stärker diskutieren. Einige geben ihren Schülern viele Möglichkeiten des Miteinander-Lernens mit offenen Klassentüren." Zudem gäbe es Schulen, die Vollversammlungen abhalten, bei denen sich die ganze Schule zum Austausch trifft.

Hörndler berichtet auch von "pädagogischen Stammtischen" oder sogenannten "Logbüchern". Die sollen demnächst Einzug in die Klassenzimmer in der Region Amstetten und Waidhofen an der Ybbs halten: "Wir wollen, dass statt des Klassenbuchs, in das der Lehrer quasi amtlich hineinschreibt, was in der Woche passiert ist, der Schüler in sein Buch schreibt, welche Ziele er sich gesetzt hat, welchen Tagesplan er absolviert hat."

Reformwilligen, die sich auch auf diesen Weg machen wollen, rät der Schulinspektor zur "Haltungsänderung". Die sei das Wichtigste. "Vieles muss man auch einfach nur zulassen. Oder sich von andernorts Anregungen holen." Zwar höre er oft das Klagelied von Lehrern, die gerne würden, sich aber im engen strukturellen Korsett gefangen sehen, aber: "Lehrer haben mehr Möglichkeiten, als sie glauben, um in der Klasse mit den Schülern zu arbeiten. Diese Freiräume sollten genutzt werden!"

Er selbst kann als Bezirksschulinspektor nur noch bis 1. August bei Reformgeburten helfen, dann werden diese Verwaltungsposten abgeschafft. Hörndler will aber auch als Pflichtschulinspektor darauf achten, dass es pädagogisch in die richtige Richtung weitergeht. Und: "Nach allem, was ich jetzt an Reformprojekten gesehen habe, würde es mich sehr reizen, noch einmal selbst Lehrer zu sein." Oder gar Schulgründer. (Karin Riss, DER STANDARD, 29.4.2014)