Muskel-Rapper Kollegah singt: "Von Salat schrumpft der Bizeps". Ist alles, was nicht illegal ist, nicht falsch?

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Könnte jemand ohne Abschluss irgendeines Businesszertifikats Marketingberater in einem Unternehmen werden? Wieso können dann Personen ohne Philosophieabschluss Ethik-Berater sein? Ist denn nicht bekannt, dass, so wie Marketing ein Teil der Wirtschaft, Ethik ein Teilgebiet der Philosophie ist? Das fragte Peg Tittel in ihrem Philosophie-Blog.

Man könnte meinen, die Menschen wissen einfach schon von Kind an, was richtig und falsch ist. Sie benötigen keine Vertiefung ihrer alltäglichen Vorurteile durch eine Schulung ihres Urteilsvermögens auf Basis der seit Jahrtausenden gepflegten philosophischen Diskurse zur Ethik. Dass der medienwirksame Ethik-Gebrauch nur neuer PR-Wein im altehrwürdigen Schlauch ist, weil der Begriff noch positiv besetzt ist, lassen wir außer Acht und setzen ernsthaftes Bemühen voraus.

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Trotz inflationärem Gebrauch des Begriffs Ethik in Wirtschaftsbereichen, von der Unternehmensethik bis hin zu Immobilienethikzertifikaten (Dank an Kollege Helmut Hofbauer für diese Hinweise), findet man so gut wie keine Philosophen in den Organisationen, die gewünschte Ethikstandards (...gibt´s das auch in ISO...?) durch ein Prüfungsprozedere für begrenzte Zeit und in präsentabler Form gegen Gebühr bestätigen. Hat das aber vielleicht gar nichts mit Ethik zu tun?

Oberflächen

Wenden wir uns lieber der Praxis, oder sollte ich besser sagen, der Technik zu. Sind Trainer zum Bereich Ethik in Organisationen eigentlich dazu da, verschiedene Zugänge zur Ethik zu vermitteln oder doch eher dazu, Verhaltensanleitung gemäß Unternehmensethos zu indoktrinieren?

Dient ihr Wirken etwa nur der Sicherstellung der Obidienz der Mitarbeiter gegenüber der Leitung und dem propagierten Leitbild? Aber nein, die wirklich guten Trainer können Compliance Vorschriften bei den mehr oder weniger freiwilligen Teilnehmern sogar mittels Softskills und anderer Anwendungstechniken intrinsisch verankern. Noch besser, wenn das gleich Anwälte übernehmen, denn große Paragraphen auf Präsentations-Folien erzeugen Angst und Ehrfurcht. Manche meinen, diese Schulungen seien lediglich Feigenblätter, damit die Geschäftsführung die notwendige Vertiefung der Compliance Richtlinien nach Außen, etwa gegenüber den FMA Vorgaben erfülle. Das wäre schade. Steckt nicht doch ein bisschen mehr dahinter?

Soweit ich das überblicken kann, sind angewandte Ethik-Maßnahmen, wenn sie von Nichtphilosophen angeboten werden, im besten Fall nur oberflächlich.

Ethik sells

Die Wirtschaft hat vor geraumer Zeit Ethik als Marketingtool entdeckt, wie zuvor die soziale Verantwortung, die Nachhaltigkeit und den Umweltschutz. Manager sind jedoch meist nicht wirklich an der Auseinandersetzung mit fundamentalen Fragestellungen zur Ethik interessiert. Das soll nicht als Bashing missverstanden werden. Manager haben an sie gestellte Aufgaben zu erfüllen: Prozesse effizienter zu machen um Kosten zu reduzieren, neue Konsumenten für ihre Produkte zu interessieren und Profite zu maximieren.

Wenn Ethik als Schönwetterthema dabei hilfreich ist, nur her damit!

Sei ethisch!

Nun lernt man also im Business-Ethikseminar, dass man einer Vorschrift zu folgen hat, weil sie vorgeschrieben oder gewohnt ist, sich bewährt hat oder gar einer Tradition folgt. Dazu gibt es Best Practise mit Bildern, gehaltvolle Zitate aus der Philosophiegeschichte, man streut vielleicht noch eine Dilemma-Übung drüber und fertig ist der Mix. Nachdenken muss man dabei nicht viel. Philosophisch gesehen ist das sich Berufen auf Vorschriften oder Traditionen ein schwacher Beweis und als Argument unzureichend. Ein erster Schritt in die philosophische Reflexion wäre das Auflösen jeder gemeinen Vorstellung durch radikales Hinterfragen. Nur weil etwas gemeinhin üblich ist, bedeutet ja nicht, dass es richtig ist.

Weil richtig ist, was Recht ist

Apropos richtig; Es gibt in diesen Veranstaltungen eine deutliche Affinität zu einem legalitätsbasierten Moralismus. Wenn etwas legal ist, dann ist es richtig, wenn es nicht illegal ist, dann ist es nicht falsch. Wenige Philosophen können diese vermeintliche Äquivalenz von moralischer Richtigkeit und Legalität akzeptieren. Ethische Argumentationen können die Legitimität von Gesetzen mit begründen, aber nicht umgekehrt. Als Extrembeispiel sei hier auf die Sklaverei verwiesen, die lange Zeit legal war. Trotzdem fand man immer Argumente dagegen. Schon Platon und Aristoteles erkannten das prinzipielle Menschsein der Sklaven an, die Quäker organisierten aus religiösem Mitgefühl in den amerikanischen Kolonien im 17. Jhdt. geheime Netzwerke zu deren Befreiung. Spätestens mit dem kategorischen Imperativ - Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst - gibt es einen unumstößlichen Grundsatz. Man kann das aber ganz pragmatisch auf den Punkt bringen: “Whenever I hear anyone arguing for slavery, I feel a strong impulse to see it tried on him personally.” sagte Abraham Lincoln. Bei manchen prekären oder menschenunwürdigen aktuellen Beschäftigungsverhältnissen kann das auch ein guter Ansatz sein. (Leo Hemetsberger, derStandard.at, 28.4.2014)