Am dritten Verhandlungstag im YLine-Strafprozess hat am Freitag am Landesgericht Wien Richterin Marion Zöllner mit den Beschuldigteneinvernahmen begonnen. Als erster befragt wurde der Hauptangeklagte ehemalige YLine-Chef Werner Böhm. Er wies den Vorhalt der Staatsanwaltschaft zurück, YLine sei "mehr Schein als Sein" gewesen. Die Hauptschuld an der Pleite trage der damalige Geschäftspartner IBM.

"Wenn sie die Vereinbarungen eingehalten hätten, hätten wir wahrscheinlich Hunderttausende Kunden gehabt"

Mit dem IT-Konzern IBM habe YLine eine exklusive Partnerschaftsvereinbarung gehabt. IBM hätte YLine dabei unterstützen sollen, ein europäisches Geschäft aufzubauen. "Wenn sie die Vereinbarungen eingehalten hätten, hätten wir wahrscheinlich Hunderttausende Kunden gehabt", so Böhm heute. Dieser Partnerschaftsvertrag sei 1999 abgeschlossen worden.

Mit der Zeit habe IBM aber begonnen, YLine "stärker an die Kandare" zu nehmen. Damals seien 80 Prozent der Zahlungen an IBM erfolgt, YLine habe die Vereinbarung "auf Punkt und Beistrich" eingehalten. Gerade als YLine vor einem Börsengang gestanden sei, sei aber gesagt worden, "wenn ihr diese Vereinbarung nicht löst, dann bekommt ihr keine Bestätigung". Aus heutiger Sicht habe es offenbar bei IBM interne Schwierigkeiten gegeben hinsichtlich dieser Vereinbarung.

Warum der damalige IBM-Österreich-Generaldirektor bei seiner Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft gesagt habe, er habe nichts bekommen, verstehe er bis heute nicht, so Böhm weiter. "Ich verstehe auch nicht, warum er nicht da sitzt. Er ist verantwortlich dafür, dass die Wirtschaftsprüfer falsch informiert wurden", so der Angeklagte.

Medial kriminalisiert

Einem mitangeklagten ehemaligen Aufsichtsratsmitglied und Investor warf Böhm vor, der erste gewesen zu sein, der die YLine damals medial kriminalisiert habe. Noch gestern am WC des Landesgerichtes habe dieser ihn angeschrien und von ihm gefordert, sich zurückzuhalten, sonst werde er sagen, dass er, Böhm, geschwindelt habe. Er wolle nicht als YLine-Millionär dastehen. Dieser Mitangeklagte habe noch Schulden bei ihm, er habe ihm nämlich eigene YLine-Aktien geborgt, mit dem Ziel, etwas zu finanzieren. Der Mitangeklagte habe diese Aktien 2001 aber verkauft. Zur gleichen Zeit hätten die Vorstände noch Aktien gekauft, weil sie an die Firma geglaubt hätten.

Der Beginn des heutigen Verhandlungstages wurde aufgrund technischer Problem um eine halbe Stunde verzögert. Ein vom Verteidiger des mitangeklagten ehemaligen YLine-Aufsichtsratspräsidenten eingebrachter Antrag auf Abberufung des vom Gericht bestellten neuen Sachverständigen Werner Hallas wegen Befangenheit wurde vom Richtersenat abgewiesen. Dagegen wurde einem Antrag des Verteidigers des Hauptangeklagten stattgegeben, Hallas solange kein Fragerecht einzuräumen, bis gegen die Einwände der Angeklagten entschieden worden sei. Hallas nahm daraufhin an der Einvernahme von Böhm nicht teil.

Die Internetfirma YLine war 2001 in Konkurs gegangen, der Masseverwalter hatte 2002 auf Antrag der Gläubiger Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Hauptangeklagter ist Firmengründer und Ex-Firmenchef Werner Böhm, auf der Anklagebank sitzen zehn weitere Personen, frühere Vorstände und Aufsichtsräte sowie die Wirtschaftsprüferin von YLine. Die Anklage lautet auf Untreue, Insiderhandel, Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen und schweren gewerbsmäßigen Betrug. Allein der durch die Untreuehandlungen verursachte Schaden beläuft sich laut Anklageschrift auf über 26 Mio. Euro.

Der Strafprozess wird am kommenden Dienstag im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichtes mit der weiteren Befragung von Böhm fortgesetzt. (APA, 25.4. 2014)