"Wenn der Herzschlag so regelmäßig kommt wie das Klopfen des Spechts, dann ist der Tod nicht mehr fern" - diese Erkenntnis gehe zurück auf das 3. Jahrhundert nach Christus und komme aus China. Und um den Kern dieser Erkenntnis gehe es auch beim Thema der Herzratenvariabilität - um die Schwingungs- und Regulationsfähigkeit, sagt Andrea Ristl, Gründerin und geschäftsführende Eigentümerin des Beratungsunternehmens Autonom Talent. Schlage also das Herz im Stakkato, dann sei das ein Zeichen dafür, dass der Mensch mit bestimmten Dingen seines Alltags nicht gut zurechtkomme, überfordert sei, führt Ristl in das Generalthema des "Gesunden Führens" ein - und eine Möglichkeit, Letzteres zu erreichen, sei die sogenannte "3-Schritt-Methode", die ihr Institut anbietet: für Einzelpersonen, insbesondere aber für Unternehmen.

Ausgehend vom bereits weit verbreiteten Phänomen überlasteter Mitarbeiter, Abteilungen oder ganzer Organisationen, beginnt obengenannte Methode mit einer 24-Stunden-Messung der Herzratenvariabilität. Das heißt: Die teilnehmenden Personen bekommen ein alltagstaugliches Elektrokardiogramm-Gerät im Pocketformat, das sie an einem typischen Arbeitstag mit sich herumtragen - gemessen werden rund 100.000 Herzschläge, Puls sowie Atemzüge. Parallel dazu wird Protokoll geführt - Pausen, Essen, Computerarbeit, fernsehen: Alles steht dann auf einer Liste. Ristl: "Das Protokoll ist schon eine erste Intervention. Man sieht auf einen Blick, womit man seine Zeit verbringt" - für manche schon ein erster "Schreck".

Greifbare Belastungen

Sicher sei es bei vielen Menschen so, dass sie verlernt haben, "gut auf sich zu achten", sagt Ristl auf die Frage, wozu eine Messung von Herzschlägen und Atmung überhaupt notwendig sei, ob viele - salopp formuliert - "sich nicht mehr spüren". Die permanente Erreichbarkeit, die falsche Anwendung technischer Hilfsmittel, aber auch der zunehmende "workload" seien tägliche Herausforderungen, bei denen bekannte Bewältigungsstrategien einfach nicht mehr greifen, so die Beraterin. Dazu komme - und das sehe man in der Auswertung der Daten über Jahre eindeutig -, dass die Einnahme von Medikamenten, auch Psychopharmaka eklatant zugenommen habe. Auch das trage dazu bei, dass Menschen ihre physischen und psychischen Grenzen häufig überschreiten.

Veränderung anstoßen

Nach der Auswertung der Herzvariabilitätsmessung, die sowohl Auskunft über Stressoren und den Umgang damit geben können oder darüber, ob Menschen ihre Talente an richtiger Stelle einsetzen, werde zum Feedback-Gespräch geladen - "eine erste Einladung zur Veränderung". Im Gespräch werden individuelle Handlungsempfehlungen abgegeben - für Psyche und Physis. Es liege an der einzelnen Person, wie sie damit umgehen möchte. Für viele werde durch diesen ersten Diagnoseschritt die individuelle Überlastung überhaupt erst greifbar, und sie erlebten diese Art der Darstellung als befreiend.

Im Zuge der Arbeit mit Unternehmen werden die Daten der teilnehmenden Mitarbeiter selbstredend anonymisiert, sagt Ristl. Die Daten erlauben - je nach Fragestellung - aber ebenso präzise Aussagen wie die richtige oder falsche Positionierung von Talenten oder die Balance zwischen Stress und Output in ganzen Abteilungen; sichtbar gemacht wird das durch ein "Ampelsystem". In weiterer Folge können gemeinsam mit den jeweiligen Führungskräften Talent-, Stress- oder Ressourcenmanagementprogramme erarbeitet werden, um auch die Leistung in der Organisation zu sichern, so Ristl weiter.

Diagnose im Franchise

Zurzeit stellen sich die Kunden aus zwei recht "konträren Richtungen" zusammen: "Einerseits nehmen Unternehmen mit uns Kontakt auf, die es als betriebswirtschaftliche Notwendigkeit ansehen, sich zu einer ,caring company' zu entwickeln", sagt Ristl. Auf der anderen Seite kommen Unternehmensvertreter aus sogenannten "erschöpften Organisationen" auf sie zu - viele im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen oder in Expansionsphasen, so die Beraterin weiter. "Es ist immer eine Mischung."

Neu ist Ristls Vorhaben, die "3-Schritte-Methode" im Franchise anzubieten, samt der dafür notwendigen Ausbildung, die zunächst in der Zentrale in Wien angeboten werden soll. In Österreich soll es bei einer Filiale bleiben. Konkrete Gespräche dazu seien im Gange, und das Zukunftsbild ihrer neuen Rolle sei schon ganz klar. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, 26/27.4.2014)