Philipp Bagus hat hier (am 4. April) ein statisches Bild von Deflation gezeichnet. Nach meinem Verständnis ist nicht erst Deflation ein volkswirtschaftliches Problem, sondern schon die geringen Inflationsraten, die aktuell in vielen Euroländern vorherrschen (Disinflation).

Deflation ist nicht ein einmaliger Preisrückgang, wie es Bagus insinuiert, sondern ein anhaltender Rückgang der Preise. Dies allein könnten die Konsumenten tatsächlich begrüßen; nicht aber, wenn auch gleichzeitig ihre Löhne schrumpfen - denn darum handelt es sich bei Deflation wirklich.

Die schwache Preisdynamik in Europa ist nachfragebedingt: Die vielerorts stagnierende Lohnentwicklung dämpft die Preise, die reale Kaufkraft der Menschen steigt nicht, die Umsatzerwartungen der Unternehmer geben nach, die preisbereinigten Kreditkosten der Häuslbauer nehmen zu, und die Effektivität der Geldpolitik erreicht endgültig den Nullpunkt.

Zur Umverteilung von Schuldnern zu Gläubigern, die von Disinflation oder Deflation hervorgerufen wird: Mäßige Preis- und Lohninflation erfüllen somit eine wichtige Funktion in modernen Volkswirtschaften, sie sorgen für einen schleichenden Abbau von vermögensbezogenen Ungleichgewichten, die durch Überschuldung bzw. Übersparen entstehen. Deflation ist kein Ersatz für mangelnde Umverteilung, sondern Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes.

Das Risiko, dass eine Deflationsspirale in Europa ausgelöst wird, ist bedeutend. Die EZB wäre dann noch machtloser als jetzt schon. Notenbanker und Regierungen sind angehalten, das Risiko eines solchen Szenarios im Auge zu behalten und zu minimieren. (Stefan Schiman, DER STANDARD, 25.4.2014)