Mitte der 90er-Jahre, als die teuersten Folgen der Verstaatlichten-Krise beseitigt waren und die Globalisierung der Weltwirtschaft neue Unternehmensstrategien erforderlich machte, begannen sich SPÖ und ÖVP über die Zukunft der staatsnahen Industrie zu streiten.

Heraus kam ein Kompromiss: Die SPÖ akzeptierte eine Teilprivatisierung, beharrte aber auf einer Rolle des Staates als Kernaktionär in Unternehmen, die für den Standort und die Versorgung wichtig waren. Aber privates Kapital sollte bei der Modernisierung und der Auslandsexpansion helfen, um so weltweit erfolgreiche nationale Champions zu schaffen.

Kein Weltunternehmen mit Bestandsgarantie

Nach dem nächtlichen Drama um die Telekom Austria ist es klar: Diese Strategie ist gescheitert. Österreich hat keine Weltunternehmen mit rot-weiß-roter Bestandsgarantie aus dem Boden gestampft. Der einzige große Industriekonzern, der sich international wirklich sehen lassen kann, ist die zu 100 Prozent private Voestalpine - die es sich deshalb leisten kann, mit der Abwanderung zu drohen.

Die AUA hat eine Bruchlandung hingelegt und musste verkauft werden. OMV, Verbund und auch die niederösterreichische EVN haben keine schlüssige internationale Strategie entwickelt, was ihnen auch zunehmend Substanz kostet. Am gravierendsten aber sind die Schwächen dieses großen Kompromisses bei der Telekom Austria sichtbar geworden.

Die Telekom hat durch Auslandsbeteiligungen massive Verluste erlitten, vor allem in Weißrussland. Im Inland leidet sie immer noch unter der Last ihrer unkündbaren Beamtenschaft im Personal und sieht ihre einst so profitable Marktdominanz schwinden. Ihre Bemühungen, diese auch für die Zukunft zu verteidigen, haben dazu geführt, dass sie bei der letzten Lizenzauktion zu viel bot und den Preis auf ein unvernünftiges Niveau hochtrieb. Auch das erklärt ihre hohe Verschuldung.

America Movil wurde aufgezwungen

Ihr Management war auch nach mehrfachem Wechsel stets schwach, ebenso wie das des Kernaktionärs ÖIAG, der die so wichtige Aufsichtsratssitzung am Mittwoch beinahe verbockt hat. Und nun hat sie einen neuen Hauptaktionär, den sich die ÖIAG nie ausgesucht hatte, sondern der ihr vom Investor Ronny Pecik aufgezwungen wurde. Carlos Slims America Movil bietet der TA weder besondere Technologie noch Marktchancen, sondern nur das Geld, das sie benötigt, um nicht in absehbarer Zeit den Weg der AUA zu gehen.

Der Syndikatsvertrag sichert kaum österreichische Interessen, wenn die sich überhaupt definieren lassen. Von nun an sind die Mexikaner am Zug. Da stimmt die Kritik der Arbeitnehmervertreter. Aber die von ihnen forcierte Alternative ist illusionär: Kein privater Investor würde einer Arbeitsplatzgarantie in einem sich rasch wandelnden Markt zustimmen.

Und die öffentliche Hand kann und soll die weitere Unternehmensentwicklung nicht aus Steuergeldern finanzieren. Es ist schlimm genug, dass die ÖIAG bei der nächsten Kapitalerhöhung mitziehen muss, um zumindest den Syndikatsvertrag zu erfüllen.

Nicht die beste Partnerwahl

Es ist unklar, ob die Telekom bei einer früheren Vollprivatisierung heute ein stärkeres Unternehmen wäre. Wahrscheinlich wäre sie von einem der internationalen Telekomriesen längst übernommen worden. Aber es hätte dann die Chance auf einen technologisch und wirtschaftlich besseren Eigentümer als America Movil gegeben. Ein Konzern, der durch ausbeuterische Monopolpreise in einem autoritären Staat wie Mexiko groß geworden ist, kann nicht die beste Partnerwahl sein.

Die ÖIAG ist bloß ein teurer Papiertiger, der dem Land nichts bringt. Daran wird sich auch unter einem neuen Aufsichtsrat wenig ändern. Aber für einen Abschied von der fast 20 Jahre alten Kompromissstrategie fehlt der politische Wille. Eine Vollprivatisierung ist politisch nicht durchsetzbar – nicht einmal IV-Präsident Georg Kapsch wagt es, dafür einzutreten –, und eine Wiederverstaatlichung wäre wirtschaftlich unsinnig.

So wird Österreich mit seiner staatsnahen Großindustrie weiterwursteln und kann nur hoffen, dass die Klein- und Mittelbetriebe stark genug bleiben, um den Wohlstand des Landes weiter zu erwirtschaften. (Eric Frey, derStandard.at, 24.4.2014)