Zugegeben: Vergangene Woche war ich faul. Aber angeblich ist das ein nach größeren Laufevents durchaus mehrheitsfähiges Verhalten: Auch wenn man keine Mega-Distanz gelaufen ist und eigentlich gar nicht ausgepowert sein dürfte, tut man halt so, als ob. Und gönnt sich, dem Körper, den Schuhen und der Umwelt ein bisserl Verschnaufpause. Außer ein paar regenerativen kurzen Läufen und einem bisserl Straßenradfahren war also letzte Woche nicht viel los.

Stattdessen haben wir geblödelt. Schließlich hat das Video, mit dem Flo den Wiener Halbmarathon in fünf Minuten packte, den Server meines Fotografenkumpels zum Glühen gebracht. Und die Frage, wie das mit dem Dokumentieren während des Laufens eigentlich geht, taucht sowieso immer wieder auf. Ja, auch wenn Sie jetzt den Kopf schütteln und sicher irgendwas von "Also wer heute noch immer nicht weiß, was eine Gopro ist, der kapiert es vermutlich nie" vor sich hinmurmeln: Es gibt noch immer Leute, die angesichts der weltweit meistverkauften Sport- und Actionkamera zuerst staunen - und dann fragen, wie so viele und große Bilder in eine so kleine Kamera gehen. Und wo der Sucher ist. Und ob das jeder kann. Und ...

Foto: Florian Albert
Aber keine Angst: Ich werde Ihnen jetzt und hier nicht mit der Geschichte der Gopro auf die Nerven gehen. Die habe ich nämlich schon vor ein paar Jahren geschrieben - fürs "Datum". Und wenn Sie unbedingt wollen, können Sie sie hier nachlesen, auch wenn das schon ein Zeiterl her ist: Im Grunde hat sich seit damals nur die Größe der Kamera, ihre Auflösung und die Verbreitung geändert.

Und: Die Zahl der Befestigungsmöglichkeiten ist explodiert. Auch, weil das Barbie-Prinzip auch hier schön greift. Wie bei der Puppe, die nicht auf eigenen Füßen stehen kann, liegt die wahre Megakohle in den Accessoires. (Nein, eh: Die Kamera wird nicht unter dem Herstellungspreis verkauft.)

Doch während die meisten Leute mit Actioncams filmen, bin ich eher der Knipser - und zwar einer, der nach der Pumpgun-Methode vorgeht: Speicherplatz kostet nix - und es ist keine Frage des Talents, sondern der Statistik, dass bei 300 Aufnahmen zwei Kader nicht verwackelt sind.

Foto: Florian Albert

Freilich ist das US-Label längst nicht mehr alleine auf diesem Markt präsent. Und ich fluche regelmäßig, wenn meine Kamera (ich verwende derzeit die Gopro3, Black Edition, und der Hersteller hat sie schon zweimal ausgetauscht) sich mit schöner Regelmäßigkeit unterwegs aufhängt - aber mittlerweile beherrsche ich das Spiel, bei vollem Lauf den Akku herauszunehmen, bis die Kiste sich selbst voll resetet hat, sogar beim Intervalltraining.

Zum Jammern auf hohem Niveau kommt aber der Spott der Kollegen: Die Weltklasse-Freeriderin Eva Walkner etwa wird von Sony ausgestattet. Und jedes Mal, wenn ich über meine (selbst gekaufte) Kamera fluche, schickt Eva mir ein paar nette Bilder. Derzeit ist sie in Haines, Alaska - und dreht dort für Servus TV/Red Bull Media eine fette Backcountry-Powder-Doku. Und um mir das Neidigsein zu versüßen, schickt Eva mir von dort hin und wieder schöne Bilder. Mit der süffisanten Frage, ob ich nicht langsam ans Umsteigen denken wolle.

Foto: Eva Walkner

Bloß: Die Sony ist halt doch deutlich größer und klobiger als die Gopro. Und auf die Frage, ob ihre Kameras sich fürs Laufen eignen, antworten auch die Vertreter anderer Hersteller eher verhalten - wenn sie ehrlich sind. Auf der Marathonmesse vor dem VCM hatte der Laufuhrenhersteller Garmin neben den Uhren auch eine feine Kamera ausgestellt. Die, erklärte mir der Marketingmann am Stand mit strahlenden Augen, könne man sogar unterwegs und über die Uhr steuern. Geil! Bloß: Wo und wie man das Ding dann beim Laufen befestigen könnte oder sollte, wusste er nicht. Auch Größe und Form der Cam sind eher für Helm- oder Lenkstangenbefestigungen als fürs In-der-Hand-Halten konzipiert.

Beim VCM montierte Flo seine Gopro am Schirm seiner Schirmkappe - und fixierte die zusätzlich mit einem Buff. Natürlich hopste und wackelte das Ding bei jedem Schritt gewaltig.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber so weit, sich einen Steadycam-Harnisch zu besorgen, reicht der Wahnsinn dann bei keinem von uns. Schließlich geht es ja auch ein bisserl günstiger: Das "Chesty"-Dings, mit dem man sich die Kamera vor die Brust (oder auf den Rücken) schnallen kann, ist ein leistbares Gimmick - und für mich war das Laufen mit freien Händen vergangene Woche dann fast so etwas wie ein "First".

Foto: Thomas Rottenberg

Das Filmchen-aus-Bildern-Machen selbst ist mittlerweile genauso deppensicher wie das Fotografieren: Die Kamera auf Dauerfeuer gestellt (diesmal: ein Bild pro Sekunde). Nach dem Lauf 3.000 Bilder ungeschaut und en bloc hochladen - den Rest macht Gratissoftware. Und zwar genau so, wie man es einstellt: 3.000 Bilder auf zwei Minuten zusammengequarrt? Das bedeutet 25 Bilder pro Sekunde. Zahlen eingeben - und "Go" drücken. Vorne und hinten und dazwischen ein bisserl stutzen und dann Titel und Schlussroller dazuschneiden könnte sogar mein Hund (wenn ich ihm Leckerlis auf die Tasten lege).

Und damit es keine Copyrightprobleme beim Vertonen gibt, verhindern Facebook, Youtube und Co ohnehin von sich aus, dass man Filmchen mit von der Filtersoftware identifizierbarer Musik hochlädt. Zum Trost gibt es ein paar "freie" Soundloops, die auf diese Art wohl irgendwann zu jenen Melodien werden, die die ganze Welt summt - und ohne zu wissen, wer oder was das ist.

Foto: Thomas Rottenberg

Der Aufwand für den ganzen Zauber? Vermutlich dauert das Schreiben dieses Eintrags genauso lang wie das eigentliche Arbeiten an so einem Film. (Das Laufen mit umgeschnallter Kamera einmal ausgeklammert).

Ach, Sie haben noch eine Frage? Und zwar, wer das braucht, wen das interessiert - oder wer sich das alles ansehen soll? Ja, eh: Niemand - und genau darum explodiert die Zahl der Videoclips auf den diversen Plattformen derzeit ja. Und weil all das so gar niemanden interessiert, haben Sie ja auch bis hierher gelesen. Und klicken jetzt natürlich ganz bestimmt nicht auf diesen Youtube-Link.

Oder? (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 24.4.2014)