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Die feinen Strukturen der Schmetterlingsflügel (im Bild ein Morpho-Falter) sorgen für ihre brillanten Farben. Die Forschung macht sich ihr Prinzip für vielfältige Anwendungsformen zunutze.

Foto: REUTERS/Juan Carlos Ulate

Abgeschaut von den Schmetterlingen: Die Sensorfolie der Firma Attophotonics zeigt durch Farbveränderungen unterschiedliche Feuchtigkeitswerte an.

Foto: Attophotonics

Wiener Neustadt - Kein Tier, keine Pflanze schimmert in vergleichbar leuchtenden Farben wie Pollia condensata. Die Evolution hat der tropischen Beerenfrucht ein intensives metallisches Blau verpasst, durchsetzt mit rötlichen und grünen Reflexionen. Es ist ihre Art, Vögel anzulocken, die ihre Samen verbreiten. Die Wissenschafter, die eine Studie über die ungewöhnliche Farbintensität der Pflanze im Journal "PNAS" publizierten, führten das bunte Schillern auf eine komplexe mehrschichtige Struktur von Zellulosefasern in den Zellwänden der Beeren zurück. Im Zusammenspiel der Zellen enstehen so unzählige verschiedene Schattierungen.

Die Beeren bedienen sich eines Prinzips, das auch Schmetterlingen oder Scarabaeus-Käfern ihr Leuchten verleiht: Anstatt ihre Farbe nur mithilfe von Pigmenten chemisch zu erzeugen, haben sie kleinste Strukturen entwickelt, die Lichtstrahlen brechen, streuen oder überlagern lassen. Man spricht von physikalischen oder strukturellen Farben.

"Die Inspiration durch die Natur ermöglicht es, intelligente, multifunktionale Materialien aus günstigen und nachhaltigen Quellen zu entwickeln", sagt Cambridge-Forscherin Silvia Vignolini, eine der Autorin der Pollia-Studie. Ein Blick auf die einschlägigen Entwicklungen zeigt, dass die Bionik, also das Abschauen der Techniken der Natur, im Bereich der physikalischen Farben besonders viele Möglichkeiten birgt.

Der Nanotechnologe Thomas Schalkhammer entwickelt mit Kollegen im Unternehmen Attophotonics Biosciences, das unter anderem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt wird, etwa intelligente Farben, die auf diesem Prinzip gründen. Sie könnten künftig anstelle von Hologrammen Banknoten oder Ausweise sicherer machen. Die sogenannten Nanotags können mit einer ganzen Reihe von komplexen, etwa vom Betrachtungswinkel abhängigen Effekten versehen werden, um Fälschungen effektiv vorzubeugen, sagt Schalkhammer.

Ein breites Anwendungsgebiet erschließt aber die Fähigkeit der künstlichen Nanostrukturen, auf ihre Umwelt zu reagieren. "Die Schrift auf einer Kreditkarte könnte künftig von Grün auf Blau wechseln, wenn man sie anhaucht." Die Labels können auf Wasser, Temperatur, Druck und andere Umgebungsbedingungen reagieren, erklärt der Forscher. Mittlerweile käme die Technologie bereits bei hochpreisigen und empfindlichen Produkten, etwa Schmuck oder Uhren, zum Einsatz, um anzuzeigen, ob sie schädlichen Einflüssen ausgesetzt waren. Künftig könnten Smartphones, die bis zu einer gewissen Tiefe wasserdicht sind, mit den Tags ausgestattet werden, erklärt Schalkhammer. "Bei Reklamationen könnte dann nachgeprüft werden, ob das Handy tatsächlich nicht zu tief untergetaucht wurde."

Molekulare Raumstruktur

So wie die Lamellenstruktur der Flügel den Schmetterlingen vielleicht eine tiefblaue Farbe verleiht, so resultieren auch die Farbeffekte der Nanotags aus regelmäßigen, allerdings viel dünneren Strukturen, an denen sich Lichtstrahlen brechen und Interferenzen entstehen. Mittels verschiedener Techniken werden bis zu 20 Schichten zu einer Raumstruktur verbunden. "Wir arbeiten bei den Aufbauten im Bereich einzelner Moleküle", so Schalkhammer. Einzelne der künstlichen Schichten in den Tags verändern durch physikalische oder chemische Reaktionen - etwa die Einlagerung von Wasser in Polymeren - ihre Faltung. Eine derartige Veränderung um nur wenige Nanometer hat zur Folge, dass sich das reflektierte Licht für Betrachter in neuer Farbe zeigt.

Das Prinzip der physikalischen Lichtbrechung verwendet auch Hubert Brückl vom Zentrum für integrierte Sensorsysteme, das kürzlich von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) unter das Dach der Donau-Universität Krems wechselte. Er arbeitet mit seinem Team an der Weiterentwicklung sogenannter Mikrobolometer, die beispielsweise in Wärmebildkameras eingesetzt werden, um elektromagnetische Strahlung im Infrarotbereich abzubilden. Herkömmliche Instrumente, die etwa zur Prüfung der Wärmedämmung eines Hauses eingesetzt werden, seien sehr unspezifisch in der Wellenlänge, erklärt Brückl. "Sie messen die gesamte Bandbreite."

Sogenannte Metamaterialien sollen es nun möglich machen, dass nur bestimmte Wellenlängen gemessen werden. "Man könnte zur Überwachung auf Flughäfen die Körperstrahlung von Menschen messen", so Brückl, "oder spezielle Gase detektieren, etwa Kohlendioxid." Die Anwendungsgebiete seien unerschöpflich.

Gezielte Infrarotmessungen

Um spezifische Strahlungen messen zu können, bringen die Forscher auf den einzelnen Zellen der Kamera, den Pixeln, eine Struktur aus mikroskopisch kleinen Metallplättchen an, die an eine bestimmte Wellenlänge angepasst sind. "Die Absorbtion ist dann nicht mehr breitbandig, sondern nur in jenem Bereich, in dem das Metamaterial in Resonanz geht."

Den Nanostrukturen mit ihren vielfältigen Eigenschaften sagt auch Schalkhammer eine große Zukunft voraus. Sie könnten die beste Zeit, Medikamente einzunehmen, die Genießbarkeit von Lebensmitteln oder den Nässegrad von Kleidung anzeigen. Sie könnten Vibrationen messen oder Schwerkraftsensoren in Smartphones ersetzen. Besondere Möglichkeiten ergeben sich, wenn die Sensoren elektronisch ausgelesen und gemeinsam mit organischen Leuchtdioden auf Folie gedruckt werden können: "Dann wird es hauchdünne smarte Oberflächen geben, die zugleich Bildschirm und Messinstrument sind." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 23.4.2014)