Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters
Grafik: DER STANDARD

Wien - Die Zeit der Enthaltsamkeit scheint endgültig vorbei, gerade auch bei Big Pharma. Kaum dass die Osterglocken verklungen sind, haben in der Branche die Fusionsglocken umso heftiger zu läuten begonnen. In weniger als 24 Stunden gaben einige der weltweit größten Pharmakonzerne Deals im Ausmaß von - konservativ geschätzt - 47 Mrd. Euro bekannt.

Darin noch gar nicht inkludiert ist der am Wochenende durchgesickerte Plan des US-Pharmariesen Pfizer, den britischen Rivalen AstraZeneca zu übernehmen. Dieser Plan, der dem Vernehmen nach schon länger verfolgt wird, aber auf Widerstand der Briten stößt, wäre die bisher größte Einzelübernahme in der Branche: Mit gut 100 Mrd. Dollar (73 Mrd. Euro) würde der ebenfalls von Pfizer gehaltene bisherige Rekord von 68 Mrd. Dollar für die Übernahme des US-Konkurrenten Wyeth von 2009 deutlich übertroffen, rechnete die Agentur Bloomberg vor.

Kursfeuerwerk

Obwohl sich bisher weder Pfizer noch AstraZeneca dazu geäußert haben, sind Beobachter davon überzeugt, dass die Amerikaner einen neuen Anlauf machen werden. Das glauben offenbar auch die Aktienmärkte: Pfizer gewann schon Montagabend als einer der besten Werte im Dow Jones zwei Prozent dazu; der Kurs der AstraZeneca-Aktien lag am Dienstag um teilweise fast zehn Prozent im Plus. Die Analysten der US-Investmentbank Citigroup stuften die Aktien von AstraZeneca auf "Kaufen" hinauf.

Die Ursachen für die neu aufgeflammte Fusionitis und die damit verbundene Goldgräberstimmung an den Börsen sehen Experten in einem Bündel von Dingen. Viele Pillenhersteller haben ihre Schulden aus Großübernahmen Anfang der 2000er-Jahre abbezahlt und generieren wieder viel Cash. Bei Pfizer wird zudem spekuliert, dass die Amerikaner die im Ausland erwirtschafteten Milliarden lieber sinnvoll investieren, statt durch Rückholung in die USA Unsummen an zusätzlichen Steuern an den Fiskus abführen zu müssen.

Novartis kauft und verkauft

Hersteller verschreibungspflichtiger Medikamente wiederum stehen wegen der Gesundheitsreformen in vielen Ländern unter Druck und suchen ihr Heil in Größe. Mehr Marktmacht soll ihnen für einen längeren Zeitraum höhere Preise garantieren.

Mit 25 Mrd. Dollar (18,5 Mrd. Euro) gab es bereits im Februar eine ansehnliche Übernahme. Der in Irland ansässige Arzneimittelhersteller Actavis schluckte den amerikanischen Wettbewerber Forest Laboratories.

Mit milliardenschweren Zu- und Verkäufen baut nun auch der Schweizer Pharmakonzern Novartis sein Geschäft grundlegend um. Der Bereich Tiergesundheit wird für umgerechnet 3,2 Mrd. Euro an den US-Wettbewerber Eli Lilly veräußert. Das Impfstoffgeschäft geht für 5,1 Mrd. Euro und Lizenzgebühren an das britische Branchenschwergewicht GlaxoSmithKline (GSK). Ausgeklammert von dieser Transaktion seien die Grippe-Impfstoffe, teilte der Schweizer Konzern am Dienstag mit. Dieser Geschäftsbereich soll zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden.

Parallel zum Verkauf gewichtiger Unternehmensbereiche geht der Basler Pharmakonzern eine Allianz mit den Briten ein: Novartis und Glaxo vereinbarten die Gründung einer gemeinsamen Tochter, die als Gemeinschaftsunternehmen im Bereich nicht verschreibungspflichtiger und damit frei verkäuflicher Medikamente auf den Markt kommen soll.

Und noch ein Großdeal wurde am Dienstag bekannt: Der kanadische Pharmakonzern Valeant hat zusammen mit dem Investor William Ackman eine Übernahmeofferte für Allergan vorgelegt. Der Botox-Hersteller wird dabei mit knapp 46 Mrd. Dollar bewertet.

Die Aktie von Allergan war bereits nach ersten Gerüchten über einen solchen Vorstoß gestiegen und lag im vorbörslichen Handel rund 20 Prozent höher bei 171 Dollar. Auch Valeant profitierte mit einem Plus von rund zehn Prozent von der Ankündigung. (Günther Strobl, DER STANDARD, 23.4.2014)