Heftig umtanzt – ­Tenor Peter Seiffert (als Tannhäuser) in der Regie von ­Sasha Waltz.

 

Foto: Bernd Uhlig

Daniel Barenboim als Tannhäuser-Dirigent seiner Berliner Staatskapelle - das hat Charme. Wenn sie schon ihr Haus, die Staatsoper unter der Linden, wegen der endlosen Rekonstruktion nicht zur Verfügung haben (und wohl so bald nicht haben werden), wollen Intendant Jürgen Flimm und Daniel Barenboim im Ausweichhaus Schillertheater wenigstens musikalisch Staatsopernluxus bieten. Und das gelingt: Barenboim und seine Kapelle bewegen sich spürbar auf ihrem Terrain.

Die Streicher sind samtig, die Bläser betörend, die Sinnlichkeit lodernd; auch die Präzision und die Balance zu den Sängern stimmen. Wenn Barenboim beschließt, das Anhalten der Musik zu simulieren, dann nur so weit, wie seine Sänger das auch bewältigen. Überhaupt ist dieser "Sängerkrieg" ein Sängerfest geworden - vor allem, da Peter Seiffert seine Stimme nicht nur beisammenhat, klug einteilt und auch in der Romerzählung noch frisch wirkt und zu strahlen vermag.

Aber auch Marina Prudenskaya (als laszive Venus mit dunkler Eloquenz) und Ann Petersen (mit betörenden Engelstönen als Elisabeth) ringen niveauvoll um Heinrich. Zudem ist Peter Mattei im Vollbesitz seiner betörenden Gestaltungsmöglichkeiten - und dies nicht nur in den beiden Wolfram-Hits. Das gilt selbstverständlich auch für René Pape, der auch dann noch ein sehr würdiger Landgraf ist, wenn er etwas unter seinem eigenen Optimum bleibt.

Zur musikalischen Qualität des Abends gehört, dass auch die übrige Sängertruppe und der Hirtenknabe mit äußerster Sorgfalt besetzt sind. Das legitimiert allein schon diese Produktion.

Regie zu beliebig

Die Inszenierung lag in den Händen der in Berlin zwar nicht besonders gut behandelten, aber weithin geschätzten Choreografin Sasha Waltz. Obwohl keine Opernnovizin, hat sie sich mit diesem Tannhäuser allerdings gründlich verhoben. Nein, eigentlich hat sie ihn gar nicht erst angepackt: Waltz fügt einfach ihre Tänzer einem extrem konventionellen Arrangement hinzu. Wenn die Figuren Profil entwickeln, dann kommt das von den Protagonisten selbst. Eine echte Personenregie findet hier nicht statt.

Nachdem die merkwürdige, angeschnittene Halbkugel (Bühne: Pia Maier-Schriever), in der die fast nackte Tänzertruppe ihr akrobatisches Bacchanal-Sexgetümmel wie in einer Waschtrommel absolviert, verschwunden ist, bleibt die Bühne leer. Die Sängerhalle wird nur durch einen Vorhang aus schwebenden Stämmen begrenzt und durch eingeschaltetes Saallicht in den Zuschauerraum erweitertet oder durch Todesahnungsnebel im dritten Aufzug wieder verdichtet. Genügend Raum also für einen choreografischen Zugriff welcher Art auch immer. Jan Fabre ist das vor Jahren mit diesem Stück tatsächlich mal gelungen!

Herrenrunde mit Hut

Doch neben einer Idee vermisst man auch diesen Zugriff. Waltz schickt ihre Truppe im günstigsten Fall kommentierend mit einem übersichtlichen Bewegungsrepertoire ins Rennen. Da wird die mit Hut und Reiterhosen auftauchende Herrenrunde der Wartburg (Kostüme: Bernd Skodzig) wie von den sieben Zwergen umhopst, der Aufmarsch der Gäste in Ballroben der Nachkriegszeit karikiert.

Das geht bis an die Grenze der Banalität: wenn etwa Heinrichs Bekenntnis zur Sinnlichkeit mit dem Griff unter die eleganten Kleider oder durch Busengrapschen illustriert wird. Den beliebig ausstaffierten Pilgern und der eleganten Beerdigungsgesellschaft am Ende geht es auch nicht besser. Diesmal ist die ja an sich lobenswerte Experimentierfreude der Staatsoper in Sachen Regie schiefgegangen. Nicht so schlimm allerdings, da der Rest stimmt. (Joachim Lange, DER STANDARD, 23.4.2014)