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Wie offen der virtuelle Raum ist, in dem sich Jugendliche bewegen, wollen sie meist selbst bestimmen.

Foto: dpa/reinhardt

Hagenberg - Ein kleiner Wildfang ist heute schnell ruhiggestellt: Sobald Kinder in der Lage sind, ins Internet zu gehen, ist es mit dem Herumtollen meist vorbei. Wenn die Sprösslinge auf Facebook surfend brav vor dem Bildschirm sitzen, müssen Eltern aber weiter besorgt sein: Dort, wo jeder ein "Freund" ist, kann sich ein Kind schwer von Fremden fernhalten. Und in Zeiten von "Heartbleed" und anderen Sicherheitslücken gilt es, umso sorgfältiger auf die Netzgewohnheiten zu achten.

Ein Forschungsprojekt der FH Oberösterreich möchte Jugendliche für die Problematiken im virtuellen Raum sensibilisieren und dabei ermitteln, wie Heranwachsende mit sozialen Netzwerken umgehen. "Wir wollen erfahren, was die Jugendlichen selbst darüber denken, anstatt diese Thematik allein aus der Erwachsenenperspektive zu betrachten", erklärt Projektleiterin Tanja Jadin von der Research Group Knowledge Media & Engineering.

Das Projekt wird im Rahmen der Initiative "Sparkling Science" des Forschungs- und Wirtschaftsministeriums gefördert, die zum Ziel hat, Jugendliche aktiv in die Forschungsarbeit einzubinden. Jadin: "Es geht darum, dass die Wissenschaft nicht nur an die Schulen kommt, sondern wir unsere Arbeit dort nachhaltig verankern, sodass man mit den Ergebnissen weiter eigenständig arbeiten kann."

Das Recht zu entscheiden

Die Annahme von Erwachsenen, dass die Jugend von heute grundsätzlich völlig unbedarft in sozialen Netzwerken agiert, konnten die Wissenschafter bisher nicht bestätigen. Die Mehrheit der befragten Jugendlichen hat im Allgemeinen durchaus einen Begriff von Privatsphäre, sagt Jadin: "Das Recht zu entscheiden, was sie für sich behalten, ist den Jugendlichen sehr wichtig." Das gelte auch bei Freundschaftsanfragen: Bei Unbekannten wird häufig erst einmal über die Person recherchiert, mit den eigenen Eltern möchte man eher nicht befreundet sein, und über die Lehrer heiße es oft: "Mit den coolen schon!"

Die gut 150 Projektteilnehmer von zwei Partnerschulen in Hagenberg und Freistadt wurden aber nicht einfach nur interviewt. Gleichzeitzeitig wurde den Schülern im Alter von 14 bis17 Jahren auch vermittelt, wie sie eigene Medieninhalte produzieren können. So konnten die Jugendlichen ihre Sicht der Dinge auch über die Befragungen hinaus mitteilen: Auf die Art bekamen Jadin und ihr Team von den Jugendlichen in Form von zahlreichen Fotostorys, Podcasts und Videofilmen auch Antworten, die nicht durch die Fragen der Erwachsenen bestimmt wurden.

Diese Inhalte sollen zudem andere Jugendliche informieren und anregen, sich selbst auf diese Weise mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dazu konzipierten Studierende des FH-Studiengangs "Kommunikation Wissen Medien" die für alle frei zugängliche Internetplattform Netkompass, auf der diese Beiträge abgerufen und neue Inhalte hochgeladen werden können. Die bisher gesammelten Ergebnisse werden bis zum Herbst ausgewertet und abschließend mit einer quantitativen Befragung, an der noch zusätzliche Schulen beteiligt sein werden, abgeglichen.

Sonderrolle Facebook

Facebook als führendes soziales Netzwerk stand naturgemäß im Mittelpunkt der Gespräche und produzierten Beiträge. Es spielt bei den Schülern interessanterweise eine Sonderrolle. Hier wird nämlich erheblich sensibler vorgegangen als mit anderen Diensten. "In Bezug auf Facebook sind sich die Heranwachsenden durchaus der Problematik von Datenschutz und Privatsphäre bewusst. Es findet bloß kein Wissenstransfer statt. Bei WhatsApp zum Beispiel gibt es so gut wie keine reflektierte Nutzung. Der Tenor ist: Wir wissen, dass wir bei Facebook aufpassen müssen."

Dafür gibt es laut Jadin mehrere Gründe: In den Medien sei diese Problematik in Bezug auf Facebook schon weitreichend thematisiert worden. An den Schulen werden die Jugendlichen inzwischen verstärkt sensibilisiert - auch untereinander. Wer etwas Peinliches auf Facebook postet, bekommt gleich die entsprechende Rückmeldung im Freundeskreis.

Ohnehin zeige sich bei den befragten Schülern, dass im Durchschnitt die Aktivität abnimmt, je länger Facebook genutzt wird: Die Jugendlichen werden mit dem Medium vertraut und entsprechend vorsichtiger. Jedoch gibt die Medienpsychologin Jadin auch zu bedenken, dass die Jugendlichen gerade in einem besonderen Alter sind: "Aus der Sicht der Jugendlichen ist die Zeit zwischen dem 14. und 17. Lebensjahr eine riesige Zeitspanne." Und auf einmal sind eben andere Dinge interessanter, als vor dem Rechner zu hocken. (Johannes Lau, DER STANDARD, 23.4.2014)