Die beiden ehemaligen Kategorie-D-Wohnungen sind auch nach der Zusammenlegung noch spürbar. In der einen Hälfte dominiert die kühle Ästhetik einer Weltraumstation,...

Foto: Lisi Specht

...in der anderen Hälfte geht es indisch und urgemütlich zu.

Foto: Lisi Specht

"So ist für jede Laune und Tagesverfassung etwas dabei", sagt Barbara Imhof, während sie die mobile Milchglaswand durch ihren Wohn-Ess-Koch-Badesalon dreht und dabei die aus der Schwerkraft katapultierte Lampe wieder in Position bringt.

Foto: Lisi Specht
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Die Weltraumarchitektin Barbara Imhof wohnt in einer Gründerzeitwohnung in Wien-Brigittenau. Doch viel lieber als auf der Erde würde sie in einer Raumkapsel ohne lästige Schwerkraft leben.

"Das ist ein ganz normales, aber sehr schönes Gründerzeithaus aus dem Jahr 1910. An der Fassade und im Stiegenhaus blitzt ein bisschen der Jugendstil durch. Aber die Wohnungen sind recht nüchtern gehalten. Eingezogen bin ich 1997, damals noch als Single auf 40 Quadratmetern. Einige Jahre später ist mein Lebensgefährte René Waclavicek dazugezogen. 2010 haben wir dann groß umgebaut und die beiden nebeneinanderliegenden Kategorie-D-Wohnungen zusammengelegt. Seit damals machen wir es uns hier auf insgesamt 80 Quadratmetern bequem. Ich finde, das reicht für zwei Personen völlig aus.

Das Zimmer, in dem wir uns gerade befinden, ist eine Art halböffentlicher Wohnraum, eine Mischung aus Wohn- und Esszimmer, Küche, Gästesalon und Bad, wobei die einzelnen Funktionszonen je nach Bedarf mal größer und mal kleiner gemacht werden können. Erstens finde ich es sehr schön, mit der Größe der einzelnen Räume spielen zu können, zweitens kann man dadurch viel Fläche einsparen, weil man Synergieeffekte nutzt und sich auf diese Weise den Luxus gönnt, plötzlich in einem 40 Quadratmeter großen Badezimmer in der Badewanne zu liegen, und drittens mag ich es nicht, dass Baden, Duschen und Zähneputzen meist ins kleinste, dunkelste Kammerl verbannt werden. Hier nicht! Mittels einer Milchglaswand können wir die räumliche Situation innerhalb weniger Sekunden verändern.

Außerdem erinnert mich diese Variabilität sehr stark an eine Raumstation, wo man auf kleinstem Raum ebenfalls sehr viele Funktionen unterbringen muss. Wie man unschwer erkennt, bin ich - nicht nur jobbedingt - ein riesengroßer Weltraum-Fan. Ich habe Weltraumspielzeug, diverse Satelliten- und Weltraumaufnahmen von der Erde und einige Fotoabzüge von den Mondmissionen der 1960er- und 1970er-Jahre. Im Bad und in der Küche gibt es eine Collage aus Glasmosaikfliesen. Das ist eine verfremdete Fotografie, die Buzz Aldrin bei seinen ersten Schritten auf dem Mond zeigt. Mein Partner hat das Foto im Photoshop in schwarze, graue und weiße Pixel umgerechnet. Im Bad gibt es eine weitere Wandcollage, die einen Astronauten in Schwerelosigkeit zeigt. Das ist ein Film-Still aus 2001 - Odyssee im Weltraum. Eine Millimeterarbeit. Zugegeben: Der Fliesenleger hat beim Verlegen der Flächen etliche Male geflucht.

Was die Einrichtung der Wohnung betrifft, so gibt es einerseits Ecken, die sehr warm und urgemütlich sind, so wie zum Beispiel unseren indischen Lounge-Bereich, und andererseits eher nüchterne Bereiche, die farblich sehr reduziert sind. Es ist für jede Laune und Tagesverfassung etwas dabei. Wenn ich es mir bequem machen will, dann setze ich mich ins orange Eck, und wenn ich was zu tun habe, dann sitze ich meist am Esstisch, der Gesellschaftstreffpunkt und Laptop-Schreibtisch zugleich ist.

Eines ist mir jedoch besonders wichtig: Der Esstisch muss immer aufgeräumt sein. Der muss leer sein. Das ist meine Freifläche zum Denken. Es steht sowieso überall alles Mögliche herum, aber irgendwo muss es eine Fläche geben, wo nichts ist, wo mich nichts ablenkt, wo der eben gefasste Gedanke nicht sofort wieder von allem Möglichen verdrängt wird.

Beruflich beschäftige ich mich viel mit Schwerelosigkeit, und manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich davon träume, mich durch einen schwerelosen Raum zu bewegen. Dann überlege ich mir, welche Gestaltungsmöglichkeiten es hier gäbe, wenn die Schwerkraft aufgehoben wäre. Am liebsten hätte ich eine Couch oder gleich eine ganze Wohnlandschaft an der Decke, also all das, wofür wir hier in unserem Gravitationswohnzimmer keinen Platz haben.

Ich träume davon, eines Tages in den Weltraum zu fliegen und das auszuprobieren, woran ich in den letzten Jahren theoretisch gearbeitet habe. Aber ein paar Millionen Dollar für einen halbstündigen Flug in die Schwerelosigkeit - das kann ich mir nicht leisten. Solange es noch keine Vorteilstickets in die Galaxie gibt, wird das also wohl ein Traum bleiben." (DER STANDARD, Open Haus, 30.4.2014)