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Alle Busse, U- und Straßenbahnen der Wiener Linien bleiben Mittwochfrüh in den Remisen und Garagen. Ein Ersatzverkehr soll den Notbetrieb aufrechterhalten.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Frage: Warum sind die Wiener Linien am Mittwoch nicht planmäßig unterwegs?

Antwort: "Es reicht uns", lautete das Statement von Kurt Wessely, dem Betriebsratsvorsitzenden des Verkehrsunternehmens vergangenen Mittwoch, nachdem ein brutaler Angriff zweier Unbekannter auf einen Straßenbahnfahrer in Rodaun bekannt geworden war. Bei einer für Mittwoch einberufenen Betriebsversammlung wollen die Mitarbeiter ihre Forderung nach höheren Sicherheitsvorkehrungen unterstreichen.

Frage: Wie lange fällt der reguläre Betrieb aus?

Antwort: Während der Zeit der Versammlung von Betriebsbeginn um 4 Uhr bis etwa 6.30 Uhr sind keine U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse der Wiener Linien auf den Gleisen und Straßen. Das Unternehmen rechnet auch für "geraume Zeit" nach der Versammlung mit Beeinträchtigungen der Intervalle.

Frage: Fallen auch die Schnellbahnen aus?

Antwort: Nein. Die S-Bahn wird von den ÖBB betrieben, deren Mitarbeiter wie gewohnt im Einsatz sind. An den großen S-Bahn-Stationen setzen die ÖBB Informationspersonal ein. Ebenso wenig betroffen sind die Badner Bahn und jene Buslinien vor allem am Stadtrand, die bereits im Regelbetrieb nicht von den Wiener Linien unterhalten werden.

Frage: Welche Ersatzlinien gibt es?

Antwort: Die Geschäftsführung der Wiener Linien hat private Busunternehmen beauftragt, um zumindest einen Notbetrieb zu gewährleisten. Im wesentlichen wird das Netz abgedeckt, auf dem wochentags die Nachtbusse verkehren: 167 Busse sind auf den 20 Linien von N6 bis N75 unterwegs (siehe Infobox). Nicht befahren werden die Strecken der auch als Nachtbusse deklarierten Anrufsammeltaxis.

Frage: Wie hoch sind die Beförderungskapazitäten des Ersatzverkehrs?

Antwort: Die Busse fahren je nach Linie im 7,5-, 10- oder 15-Minuten-Takt und nehmen nur einen Bruchteil der Kapazitäten der rund 900 Fahrzeuge auf, die im regulären Betrieb im Einsatz sind. Deshalb appellieren die Wiener Linien an ihre Fahrgäste, sich nach Möglichkeit Alternativen zu suchen.

Frage: Welche Alternativen sind zumutbar?

Antwort: Das hängt vom Einzelfall ab. Laut Arbeiterkammer (AK) kann das der eigene Pkw, das Fahrrad oder auch ein längerer Fußweg sein. Eine Pflicht, sich auf eigene Kosten ein Taxi zu rufen, besteht nicht. Der Alternativvorschlag der Wiener Linien: "Wer es einrichten kann, soll erst nach 6.30 Uhr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren." Die AK erklärt aber: "Gerade da der Ausfall der öffentlichen Verkehrsmittel rechtzeitig angekündigt wurde, haben Arbeitnehmer alle ihnen zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen."

Frage: Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen hat ein verspätetes Eintreffen am Arbeitsplatz?

Antwort: In diesem Fall liegt ein Verhinderungsgrund vor, für den man keinen Zeitausgleich oder Urlaub nehmen muss. Grundsätzlich besteht auch für die versäumte Arbeitszeit Anspruch auf Lohn oder Gehalt, ein Abzug ist laut AK unzulässig. "Für Angestellte ist dieser Anspruch im Angestelltengesetz zwingend festgelegt. Arbeiter haben dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Kollektivvertrag dies vorsieht", so die AK. Um sich abzusichern, sollte der Arbeitgeber auf jeden Fall vorab informiert werden, dass der Job nicht rechtzeitig angetreten werden kann. Die AK rät zusätzlich zu einer Meldung an Betriebsrat, Gewerkschaft oder an die Kammer selbst.

Frage: Wie reagiert die Politik auf die Aktion?

Antwort: Für Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ist die Versammlung ein "außergewöhnliches Ereignis".  Er steht dem Protest der Mitarbeiter kritisch gegenüber. "Ich verstehe die Anliegen. Ob das Mittel, das gewählt wurde, das geeignetste ist, will ich dahingestellt lassen." Früher habe man bei Arbeitsniederlegungen in verschiedensten Unternehmen direkt die Arbeitgeber getroffen. Die Maßnahme der Mitarbeiter der Wiener Linien würde aber direkt die Fahrgäste treffen. "Und die können nichts dafür." Die Forderung der Mitarbeiter nach mehr Sicherheit sei legitim. Häupl versprach, dass abgetrennte Fahrerkabinen in den Öffis sowie flächendeckende Videoüberwachung in den Stationen bis 2016 Standard seien. Neue Straßenbahn-Garnituren hätten bereits moderne Fahrerkabinen. Der Landesparteiobmann der ÖVP Wien, Manfred Juraczka, sieht die Protestform ebenfalls kritisch: "Der Kampf für mehr Sicherheit in den U-Bahnen soll nicht auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen werden. Die Forderungen nach mehr Sicherheit sind legitim, ein de facto Lahmlegen des öffentlichen Verkehrs über mehrere Stunden ist aber definitiv das falsche Mittel." FP-Klubobmann Johann Gudenus fordert eine Bewaffnung der Fahrer mit Pfefferspray.

Frage: Ist die Zahl an Angriffen gegen das Personal der Wiener Linien wirklich angestiegen?

Antwort: Häupl verwies darauf, dass die Anzahl der Übergriffe auf Mitarbeiter der Wiener Linien von 2012 auf 2013 um 23 Prozent zurückgegangen sei. Im Vorjahr waren es 77 gewesen. Zum Vergleich: In den Zügen der ÖBB habe es 2013 österreichweit 86 gewalttätige Übergriffe gegeben, die Hälfte davon in Zügen in der Ostregion, berichtet die ÖBB-Zentralgewerkschaft am Dienstag. Im ersten Quartal 2014 waren es 16 Angriffe.

Frage: Gab es in jüngerer Vergangenheit bereits ähnliche Protestmaßnahmen und was waren die Folgen?

Antwort: Für 28. Juni 2000, ebenfalls ein Mittwoch, rief der ÖGB zum Streik gegen die Sparmaßnahmen der Regierung auf. Auch die Mitarbeiter der Wiener Linien legten ihre Tätigkeit von Betriebsbeginn bis 7 Uhr nieder. Die APA resümierte danach: "Die Wiener nahmen die Behinderungen insgesamt gelassen hin, die Berufstätigen reagierten flexibel. Viele Radfahrer waren - mehr oder weniger geübt - unterwegs, bei den Taxis war der Zuspruch normal. 'Angekündigte Katastrophen bleiben meist aus', meinte man bei den Autofahrerorganisationen." Am Dienstag, 6. Mai 2003 beteiligte sich das Wiener-Linien-Personal an den Streiks gegen die Pensionsreform. Gegen 10 Uhr wurde der Regelbetrieb wieder aufgenommen, das befürchtete Chaos blieb ebenfalls aus. (Michael Matzenberger & David Krutzler, derStandard.at, 22.4.2014)