Man gönnt sich ja sonst nichts. Der ehemalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone soll eine 600-m²-Wohnung (plus 100-m²-Terrasse) im Vatikan beziehen. Der jeweilige Kardinalstaatssekretär ist sozusagen die Nummer zwei hinter dem Papst. Bertone wurde von Papst Franziskus abgelöst. Er hatte zwar schon das entsprechende Alter erreicht, das wäre aber nicht unbedingt das Problem.

Es hat aber Klagen gegeben: Bertone brachte Pädophilie mit Homosexualität in Zusammenhang, bemühte sich aber nach Kräften, den kirchlichen Urskandal in Sachen Kindesmissbrauch rund um den Pater Murphy zu vertuschen. Sein Management der Infolecks rund um Benedikt XVI. ließ ebenfalls zu wünschen übrig. Nun also die kontemplative Schlussphase in der Luxuswohnung - während Franziskus nicht im Apostolischen Palast, sondern in einer kleinen Wohnung im Vatikanischen Gästehaus logiert.

Man kann ja der Meinung sein, dass zum Katholizismus eine gewisse, von den größten Künstlern der Zeit gestaltete Prachtentfaltung gehört. Sonst müsste man den Petersdom (u. a. von Bramante, Raffael, Michelangelo, Bernini) in ein reines Museum verwandeln. Aber auffällig ist schon, wie selten gerade die reaktionärsten, autoritärsten und hoch zynischen Machthaber auf ihren persönlichen Luxus verzichten können. Kardinal Bertone gehört offenbar zu jenen, die nichts gelernt und nichts vergessen haben. (RAU, DER STANDARD, 22.4.2014)