Linz - 28 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten haben vor, bei der Europawahl im Mai eine andere Partei zu wählen als bei einer Nationalratswahl. Das geht aus der vor Ostern durchgeführten Market-Umfrage für den STANDARD (Sample=405) hervor. Diese hohe Beweglichkeit der Wähler (die auch zwischen Landtags- und Nationalratswahlen üblich ist) macht es besonders schwer, Ergebnisse zu prognostizieren. Dazu kommt die traditionell niedrige Wahlbeteiligung: Zuletzt haben nur 46 Prozent der Österreicher ihr Wahlrecht genutzt.
Gleichzeitig ermöglicht diese Ausgangslage den Parteien, durch die Motivation von Stammwählern und das Ansprechen von wechselbereiten Wahlberechtigten neue Mehrheiten zu schaffen. Die Nichtwähler der vergangenen EU-Wahl 2009 stellen ein besonders großes Wählerreservoir dar.
Einstimmung besser gelungen
Die Umfragedaten belegen: In den vergangenen Monaten ist es den österreichischen Parteien besser als vor fünf Jahren gelungen, die Österreicher auf die Wahl einzustimmen. Im Mai 2009 haben 47 Prozent in einer vergleichbaren Market-Umfrage gesagt, dass sie sicher zur Wahl gehen würden, 46 Prozent sind dann tatsächlich wählen gegangen. Derzeit bekunden 51 Prozent eine sichere Wahlabsicht, 23 Prozent wollen "eher schon" wählen gehen - am stärksten motiviert sind die Anhänger der ÖVP, knapp gefolgt von denen der SPÖ und mit schon größerem Abstand den Wählern der Grünen.
Unter den Wählern der FPÖ und denen des Teams Stronach ist die Wahlabsicht noch wesentlich geringer. Für die FPÖ bedeutet das, dass sie EU-Gegner motivieren muss, überhaupt zu einer Wahl zu gehen, die von der ungeliebten EU veranstaltet wird. Was eine besondere Herausforderung ist.
Wechselbereitschaft
Der STANDARD ließ jene drei Viertel der Wahlberechtigten, die sicher oder "eher schon" zur EU-Wahl gehen wollen, weiter fragen: "Werden Sie bei dieser Wahl voraussichtlich dieselbe Partei wählen, die Sie an diesem Sonntag bei einer Nationalratswahl wählen würden, oder werden Sie da voraussichtlich eine andere Partei wählen?" Dabei sagen nur 72 Prozent klar, dass sie auf Europaebene dieselbe Partei wählen würden wie bei einer Nationalratswahl.
"Besonders wechselbereit sind selbstverständlich jene, die ohnehin keine dauerhafte Parteibindung haben", sagt David Pfarrhofer vom Market-Institut. "Aber auch diejenigen Befragten, die sich bei der Sonntagsfrage zur Nationalratswahl als Wähler von den Neos oder der FPÖ bekennen, sind diesen Parteien keineswegs sicher. Das sind ja Leute, die Alternativen suchen und sie auf Europaebene nicht unbedingt bei der Partei finden, die sie in den Nationalrat wählen würden."
Unter diesen Rahmenbedingungen erscheint es für jede der drei Mittelparteien SPÖ, ÖVP und FPÖ möglich, den Spitzenplatz bei der EU-Wahl zu bekommen. Anders wäre das bei vorgezogenen Nationalratswahlen. Auf den ersten Platz käme die FPÖ, die seit Wochen 27 Prozent erwarten kann, sechseinhalb Prozentpunkte mehr als bei der Wahl 2013. Die SPÖ würde auf 22 Prozent fallen, die ÖVP überhaupt auf 19. Die Neos kämen auf 13, die Grünen auf zwölf und das Team Stronach auf zwei Prozent.
(Conrad Seidl, DER STANDARD, 22.4.2014)