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Viele Gemeinden in Österreich erlebten in den vergangenen Jahren eine regelrechte Zusperrwelle.

Foto: dpa/Martin Gerten
Grafik: DER STANDARD

Helmut Koppers ist empört: "Das ist ein Drüberfahren über den ländlichen Raum, die Leute werden dabei komplett vergessen", meint der Vizebürgermeister von Hüttenberg (FPÖ) in Kärnten. Ende des Monats sperrt in der 1500-Einwohner-Gemeinde im Bezirk Sankt Veit an der Glan die Polizeiinspektion zu - zumindest berichten das die Medien. "Wir wurden darüber ja gar nicht direkt informiert", kritisiert der Lokalpolitiker. "Man lässt die Leute einfach dumm sterben." Insgesamt sollen der jüngsten "Dienststellenstrukturanpassung" bei der Polizei in ganz Österreich 138 Dienststellen zum Opfer fallen - DER STANDARD berichtete. Wie ein Blick auf die mittelfristige Entwicklung beweist, wurden seit dem Jahr 2000 aber fast permanent Sperrstunden bei der Polizei eingeläutet. Vor 14 Jahren gab es in Österreich noch 1041 Polizeidienststellen, ab Sommer werden es 769 sein (siehe Grafik).

Kampf um Föderalismus

Der Verlust einer Polizeiinspektion im Ort ist für so manchen Bürgermeister eine Draufgabe auf bereits erfolgte Zusperrwellen - beispielsweise jene der Post. "Die hat bei uns ja auch schon die Gemeinde übernommen", sagt Vizebürgermeister Koppers. Seit rund vier Jahren geben die Hüttenberger beim Postpartner im Tourismusbüro ihre Briefe auf.

Aufhebung des Postmonopols und Privatisierung waren der Turbo für die Schließung von Postämtern. Von den 2275 Filialen zur Jahrtausendwende ist noch ein Viertel übrig. Als Ausgleich wurden allerdings bereits 1500 private Postpartner angeworben, im gelben Boot sitzen derzeit also rund 2000 Geschäftsstellen. Unter 1650 darf deren Gesamtzahl laut Postmarktgesetz nicht sinken.

Der Abbau von institutionellen Anlaufstellen geht tief in die heimische Föderalismusdebatte hinein. Der Bürgermeister von Neufeld an der Leitha im Burgenland, Michael Lampel (SPÖ), ist ein erklärter Verfechter der dezentralen Vielfalt. Kein Wunder, ist Lampel doch auch der derzeitige Bundesratspräsident. Doch während die Länderkammer des Parlaments um mehr Einfluss beispielsweise im legistischen Bereich kämpft, plädiert nicht nur Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) überhaupt für die Abschaffung des Bundesrates - und für die Übertragung von dessen Agenden an die Landtage.

Rechtliche Fußangeln

Beim Rückbau der amtlichen Infrastruktur lauern allerdings auch rechtliche Fußangeln, wie die jüngste Panne bei der Zusammenlegung von Bezirksgerichten gezeigt hat. Obwohl bereits aufgelöst, müssen in Enns, Leonfelden und Pregarten weiter Bezirksgerichtsstellen betrieben werden, weil der Verfassungsgerichtshof entschieden hat, dass die Auflösung nicht rechtens ist. Schon im Vorfeld hatten Richter darauf hingewiesen, dass die Zusammenlegungen gegen das sogenannte Schneideverbot, eine fast 100 Jahre alte Föderalismus-Regelung zur Absicherung von politischen Bezirken und Gerichtsbezirken, verstößt.

Mit der Zusammenlegung von Bezirksgerichten tut sich die Justiz überhaupt schwer. Bisher gibt es nur in der Steiermark sowie in Nieder- und Oberösterreich Einigungen zwischen Bund und Ländern. Der Bürgermeister von Haag in Niederösterreich, Josef Sturm (ÖVP), bedauert, dass seine Stadt das Bezirksgericht mit 1. Jänner schließen musste. Er habe sogar noch einmal persönlich mit Justizminister Wolfgang Brandstetter - einem gebürtigen Haager - gesprochen; ohne Erfolg. "Jede Institution weniger ist ein Verlust für die Gemeinde", sagt Sturm. Noch sei eine Bezirksgerichts-Außenstelle in Betrieb. Wie lange noch? "Vorübergehend" heißt es im Justizministerium. (Gudrun Springer & Michael Simoner, DER STANDARD, 22.4.2014)