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Weniger lustig, aber ebenso langwierig wie die Schlachten mit Kaptain Sparrows karibischen Piraten ist der Kampf der europäischen Behörden gegen Produktpiraterie.

Foto: Reuters/Peter Mountain/Disney Enterprises

Wien - Der Umsatz gefälschter Waren - also von Waren, die Rechte des geistigen Eigentums verletzen - beschränkt sich schon lange nicht mehr auf vermeintliche Louis-Vuitton-Handtaschen, die Straßenhändler Touristen in Venedig zum Kauf anbieten, oder Rolex-Uhren im Großen Basar in Istanbul. Mittlerweile erreichen gefälschte elektronische Geräte aller Art, Autoersatzteile, Kinderspielzeug, Medikamente oder Pflanzenschutzmittel den europäischen Markt täglich in tausendfacher Zahl; zumeist entweder in Form ganzer Containerladungen auf Frachtschiffen oder als Pakete, die dem Konsumenten direkt nach Hause geliefert werden.

Bereits vor Jahren erkannte der europäische Gesetzgeber, dass sich das Auffinden einmal in der EU in Verkehr gebrachter gefälschter Waren als die Suche nach der Nadel im Heuhaufen gestaltet und dass eine effiziente Bekämpfung der Produktpiraterie bei der Wareneinfuhr in das EU-Zollgebiet ansetzen muss. Seither können Rechte des geistigen Eigentums bei den Zollbehörden hinterlegt werden. Schöpft eine Zollbehörde bei einer Kontrolle den Verdacht, bei der kontrollierten Ware könnte es sich um rechtsverletzende Ware handeln, hat sie diese vorläufig zurückzubehalten. Allein 2012 wurden so fast 40 Millionen Artikel mit einem Marktwert von nahezu 900 Millionen Euro identifiziert.

Nicht nur neue Vertriebswege - insbesondere über das Internet -, sondern auch die europäische Gesetzgebung und Rechtsprechung haben durch die Betonung des Grundsatzes eines ungehinderten Warenverkehrs dazu beigetragen, dass Produktpiraten immer neue Wege finden, unter Ausnützung von Rechtsschutzlücken ihre Waren oftmals auf Kosten von Sicherheit und Gesundheit der Verbraucher in den Verkehr zu bringen.

Dem sollen neue gesetzliche Regeln entgegenwirken. So ist mit 1. Jänner 2014 nicht nur die neue Produktpiraterieverordnung (PPV; Verordnung [EU] Nr. 608 / 2013) in Kraft getreten, sondern nimmt auch eine im Vorjahr von der EU-Kommission initiierte Revision des europäischen Markensystems immer konkretere Züge an.

Warenvernichtung möglich

Im Gegensatz zu ihren Vorgängerbestimmungen sieht die PPV nunmehr ein verpflichtendes vereinfachtes Verfahren vor, das eine Vernichtung zurückbehaltener Waren ermöglicht, ohne dass ein Gericht eine Rechtsverletzung feststellen müsste. Insbesondere in Ländern wie Polen oder Finnland, in denen ein solches Verfahren bisher nicht vorgesehen war und die aufgrund ihrer geografisch exponierten Lage häufig Einfallsländer für Pirateriewaren sind, besteht so die Aussicht, dass die Zahl der Aufgriffe durch den Zoll nach der PPV in den kommenden Jahren steigen wird.

Weitere Rechtsschutzlücken, die auch nach Inkrafttreten der PPV bestehen, könnten im Zuge der Novellierung des europäischen Markenrechts geschlossen werden. Immerhin waren bei fast 95 Prozent aller 2012 in der EU aufgegriffenen Artikel Markenrechte betroffen.

So soll derzeit nach der Rechtsprechung des EuGH ein bloßer Transit rechtsverletzender Ware durch das Zollgebiet der EU keine rechtswidrige Handlung darstellen. Entsprechend greifen auch die PPV-Bestimmungen in solchen Fällen nicht. Den Zollbehörden sind folglich oft die Hände gebunden, wenn tonnenweise gefälschte Pflanzenschutzmittel aus China in europäischen Häfen landen, die laut Frachtpapieren zum vermeintlichen Weitertransport auf dem Landweg in die Ukraine oder nach Russland bestimmt sind. In der Praxis freilich kommen diese Waren nur selten dort an, sondern werden an ein Ziel in der EU umgeleitet und anschließend, oft als angeblich legaler Parallelimport, an Landwirte verkauft, die die Mittel auf ihren Feldern aufbringen.

Beweislastumkehr

Eine solche Umleitung der Waren hat zurzeit der Rechteinhaber zu beweisen (C-446/09 und C-495/09 - Nokia/Philips) - eine Hürde, die regelmäßig nicht zu nehmen ist. Diese Beweislast soll nach den derzeit vorliegenden Vorschlägen in Zukunft dem Dritten obliegen; zudem soll es auch eine Markenverletzung darstellen, wenn eine Marke nicht nur in (einem Mitgliedstaat) der EU Schutz genießt, sondern auch im vermeintlichen Zielland der Ware.

Eine weitere neu vorgesehene markenrechtliche Bestimmung soll es zudem zumindest Markeninhabern erleichtern, die Einfuhr geringer Mengen gefälschter Waren zu unterbinden. Dies betrifft insbesondere Postsendungen von Waren, die von Konsumenten in Drittstaaten über das Internet bestellt werden und die insbesondere in Ländern wie Österreich, die über keine großen Häfen verfügen, einen Großteil der Aufgriffe durch die Zollbehörden ausmachen; im Jahr 2013 betraf dies über 80 Prozent der Fälle.

Alarmierend ist der Anteil gefälschter Arzneimittel, nämlich fast ein Viertel aller Fälle. Künftig soll auch dann ein Eingriff in Markenrechte in der EU vorliegen, wenn nur der Versender im Drittstaat kommerziell tätig wird. In die gleiche Stoßrichtung geht auch ein jüngst ergangenes EuGH-Urteil zur PPV (C-98/13 - Rolex), wobei dieses nicht auf Markenrechte beschränkt ist.

Es bleibt abzuwarten, ob die vorliegenden Vorschläge zur Revision des europäischen Markenrechts tatsächlich Recht werden. In Verbindung mit der PPV dürfen aber insbesondere Markeninhaber hoffen, künftig über neue effiziente Instrumente zu verfügen, Piraterieware gleich bei ihrer Ankunft in der EU aus dem Verkehr zu ziehen. (Hans Lederer, DER STANDARD, 22.4.2014)