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Die Steuerlast steigt von Jahr zu Jahr - sogar wenn keine Erhöhung beschlossen wurde. Verantwortlich dafür ist die kalte Progression

Foto: APA/Fohringer

Wien - Die Forderungen nach einer Steuerreform in Österreich wurden zuletzt wieder lauter. Sowohl Gewerkschaft als auch Industrie drängen auf eine Entlastung. Rückenwind bekommen die Befürworter nun durch einen neue Berechnung der Innsbrucker "Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung" (GAW). Demnach spülte die so genannten kalte Progression im Vorjahr 2,24 Mrd. Euro ins Budget. Für heuer rechnet Geschäftsführer Florian Wakolbinger mit 2,65 Mrd. Euro, wie er der APA sagt. IHS-Chef Christian Keuschnigg sieht die kalte Progression als "schleichende Steuererhöhung" und plädiert wie ÖGB und AK für ihre Abschaffung.

Die "kalte Progression" bezeichnet jene Erhöhung der Steuerbelastung, die zustande kommt, weil die Löhne zwar jedes Jahr steigen, die für die Lohnsteuer maßgeblichen Einkommensgrenzen aber gleich bleiben. Damit rücken von Jahr zu Jahr immer mehr Arbeitnehmer in höhere Steuerklassen vor - ein Teil ihrer Lohnsteigerungen wird somit vom Finanzamt abgeschöpft. Für den durchschnittlichen österreichischen Arbeitnehmer bedeutet dies, wie die OECD vorige Woche vorrechnete, dass von einem Brutto-Gehaltsplus von 2,4 Prozent abzüglich Inflation (2 Prozent) und Steuern (0,4 Prozent) 2013 de facto nichts übrig geblieben ist.

Anhebung der Einkommensgrenzen

"Im Moment ist es so, dass der Finanzminister mit der 'kalten Progression' kalkuliert", kritisiert Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. Der Gewerkschaftsbund plädiert daher wie die Arbeiterkammer seit Jahren für die jährliche Anhebung der Einkommensgrenzen für die Lohn- und Einkommenssteuer, womit die "kalte Progression" de facto abgeschafft würde. Achitz verweist darauf, dass die Lohnsteuereinnahmen seit Jahren deutlich stärker steigen als die Inflation, während etwa die Grunderwerbssteuer stagniere.

Offizielle Zahlen für die Auswirkungen der "kalten Progression" auf das Budget gibt es nicht. Das Finanzministerium wollte auf APA-Anfrage keine konkreten Angaben machen. In Expertenkreisen heißt es dazu allerdings, dass die laufende Valorisierung des Lohnsteuersystems rund 500 Mio. Euro pro Jahr kosten würde.

Steuerreform verpufft

In diese Richtung deuten auch die Berechnungen von GAW-Geschäftsführer Wakolbinger. Er hat verglichen, wie sich die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer entwickelt hätten, hätte man die Einkommensgrenzen, sowie die Frei- und Absetzbeträge seit der letzten, 2008 beschlossenen Steuerreform konsequent an die Inflation angepasst. Ergebnis: Im Vorjahr hätte das Finanzministerium rund 2,24 Mrd. Euro weniger eingenommen. Die Einnahmen wären also um rund acht Prozent niedriger ausgefallen. Heuer wären es (gemessen an der März-Inflation von 1,5 Prozent) 2,65 Mrd. Euro.

Der Effekt der Lohnsteuersenkung 2009 ist damit wieder verpufft - was auch aus den aktuellen OECD-Zahlen abgelesen werden kann. Demnach ist die Abgabenbelastung eines durchschnittlichen österreichischen Arbeitnehmers 2009 von 49 auf 47,9 Prozent gesunken. Mittlerweile (Stand 2013) liegt sie wieder bei 49,1 Prozent.

Erhöhung ohne Parlamentsbeschluss

IHS-Chef Keuschnigg plädiert ebenfalls dafür, die kalte Progression abzuschaffen - und zwar, indem die Einkommensgrenzen für die Lohnsteuer jedes Jahr um das Wachstum der Lohneinkommen angehoben werden. Die kalte Progression bedeute de facto eine Steuererhöhung ohne Parlamentsbeschluss, kritisiert Keuschnigg: "Wenn man eine Steuererhöhung will, dann soll man sie beschließen." Dass die laufende Indexierung des Lohnsteuersystems an technischen Hürden scheitern könnte, glaubt der IHS-Chef nicht, aber: "Es wird natürlich unbequemer für den Finanzminister." 

Vor der Nationalratswahl hatte sich die SPÖ klar für eine Steuerreform nach der Wahl ausgesprochen. Wegen der Budgetprobleme wurden die Pläne dann aber aufgeschoben. Im Regierungsprogramm findet sich nur eine relativ allgemeine Formulierung, dass eine Expertengruppe bis Ende 2014 "den Reformpfad zur Harmonisierung und Steuervereinfachung vorzulegen hat". Bis Ende 2015 sollen die Vorschläge umgesetzt sein. (APA, red, 21.4.2014)