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Facebook schlittert trotz zunehmender Nutzerzahle in eine Existenzkrise.

Foto: AP Photo/Paul Sakuma

Zum zehnten Geburtstag im Februar veröffentlichte Facebook eindrucksvolle Zahlen. Seit dem Startim Jahr 2004 wurden 201,6 Milliarden Freundschaften geschlossen, das Netzwerk hat 1,23 Milliarden aktive Nutzer im Monat, seit dem Start der Chatfunktion im Jahr 2012 wurden 7,8 Billionen Nachrichten verschickt und täglich vergeben Nutzer durchschnittlich sechs Milliarden Likes. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass das soziale Netzwerk seinen Appeal verloren hat. Laufende Design-Änderungen, Werbung und eine Aufspaltung in verschiedene Dienste haben die Userexperience seit dem Beginn stark verändert. Facebook steckt in der Midlifecrisis.

Behäbig

Die Hauptseite ist so umfangreich und massiv geworden, dass sich Nutzer fragen, welchen Sinn sie noch hat. "Für mich und die meisten meiner Freude ist es nicht mehr die erste Adresse, um Fotos zu sharen oder mit Freunden zu plaudern und ihren Aufenthaltsort zu kommentieren", schreibt Jenna Wortham von der New York Times. Untermauert wird diese subjektive Wahrnehmung etwa von wiederkehrenden Berichten, dass vor allem Jugendliche zu anderen Diensten abwandern.

Mehr Apps

CEO Mark Zuckerberg weiß, dass das von ihm an der Uni gegründete Netzwerk nicht mehr das ist, was es einmal war. Anstatt alle Funktionen und Features in die Hauptseite quetschen zu wollen, wird Facebook nach und nach in einzelne Dienste und Apps zerstreut, um die unterschiedlichen Bedürfnisse der immensen Nutzerzahl erfüllen zu können.

So hat das Unternehmen kürzlich den bereits als separate App erhältlichen Messenger nun komplett von der Haupt-App entkoppelt. Auch die Übernahme von Instagram und WhatsApp sowie der Launch der Nachrichten-App Paper schlagen in diese Kerbe. Wenn Nutzer zunehmend andere Dienste aufsuchen, um beispielsweise aktiv Fotos zu teilen, verbleiben im Hauptfeed von Facebook jedoch nur weniger interessante Inhalte wie Werbung oder "gelikte" Seiten. Die Timeline wird langweilig.

"Falsche" Freunde

Das Netzwerk hat die schwierige Aufgabe herauszufinden, was für die Nutzer relevant ist. Sämtliche Updates, Likes, Kommentare einzublenden würde den Feed zu unübersichtlich machen. Ist die Timeline nach "Top Stories" sortiert, bekommt man nicht alles zu sehen, was der Freundeskreis shared, sondern das, was die Algorithmen von Facebook für wichtig halten. Das kann jedoch ebenfalls problematisch werden, denn zwischen den Algorithmen und den wahren Interessen der Nutzer klafft oft ein großer Graben.

So kann es passieren, dass die Updates von Personen, mit denen man im "echten Leben" nur wenig zu tun hat, auf den verschlungenen Pfaden der Facebook-Logik häufiger in die Timeline gespült werden, als die der echten Freunde. Von der Schulzeit, über weitere Ausbildungswege hin bis zu Jobs wechseln Nutzer die Personenkreise, in denen sie verkehren. Facebook macht diese Weiterentwicklung aber nicht mit, es sei denn man "entfreundet" Personen, mit denen man nicht mehr so viel zu tun hat.

"Entfreunden"

Personen rauszuschmeißen spricht gegen die Intention eines sozialen Netzwerks, auch mit entfernten Bekannten losen Kontakt halten zu können. Ein größerer Freundeskreis bedeutet nicht, dass die Nutzer auch mit all diesen Personen engeren Kontakt halten wollen. So belegt eine aktuelle Studie der The University of Oxford, dass Menschen enge Beziehungen nur mit einer begrenzten Zahl an Personen aufrechterhalten können, berichtet The Verge. Eine Erkenntnis, die wohl die meisten bestätigen können. Immerhin ist es mittlerweile möglich, Personen nicht mehr zu folgen und sie dennoch weiterhin als "Freunde" zu behalten.

Andererseits ist es problematisch, mit wem man welche Inhalte teilen möchte. Facebook erlaubt zwar seinen Nutzern, Postings mit bestimmten Gruppen zu teilen oder Freunde zu Listen - etwa enge Freunde, Arbeitskollegen oder Familie - hinzuzufügen. Das ist jedoch mit einem gewissen Aufwand verbunden. Zudem muss man bei jedem Posting genau hinsehen, für welche Personengruppe es gedacht ist (erkennbar an einem kleinen, grauen Icon).

Bei Snapchat oder Messengern wiederum ist klar, dass die Nachricht nur für den Empfänger bestimmt ist. So befindet sich Snapchat auch auf einem steilen Wachstumskurs. Laut einer US-Umfrage verwenden bereits 46 Prozent der Zwölf- bis 24-Jährigen das Foto-Messaging-Programm.

Nicht mehr neu

Zum Start von Facebook war es eine neue Erfahrung, auf einer zentralen Plattform mit engen Freunden und entfernten Bekannten Fotos auszutauschen, gemeinsame Events zu erstellen oder zu sehen, wo sich jemand gerade aufhält. Dieser Neuheitscharakter ist mittlerweile verblichen und einfachere Community-Modelle wie etwa Instagram eignen sich bei größeren Nutzerzahlen möglicherweise besser als soziales Netzwerk.

Facebook könnte dieses Problem mit einer weiteren separaten App adressieren: so sollen Gruppen mehr in den Vordergrund gestellt werden, wie Zuckerberg vor einiger Zeit angekündigt hat. Aber wie bereits erwähnt stellt es die Sinnhaftigkeit und Zukunft der Hauptplattform in Frage, wenn Nutzer zu separaten Diensten abwandern. Das Unternehmen Facebook wird uns wohl noch länger begleiten. Wie lange die Plattform Facebook noch zu unserem Alltag gehört, ist eine andere Frage. (Birgit Riegler, derStandard.at, 20.4.2014)