"Der Staat versteht sich nur noch als Zusammenschluss von Interessenverbänden", klagt Zisterzienser Henckel-Donnersmarck.

Foto: Christian Fischer

STANDARD: In der Bibel heißt es, es gehe eher ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Steckt hinter jedem Reichtum Sünde?

Henckel-Donnersmarck: Der Reichtum ist bestimmt die größere Gefährdung. Er ist für Menschen oft eine Gefahr, dass sie ihr eigentliches Lebensziel übersehen und vom Reichtum geblendet hintanstellen. Aber ich plädiere dafür, dass wir in der Wirtschaft allgemein sowie im Entstehen des Reichtums durch die Arbeit als auch im Verwenden des Reichtums mit moralischen Qualifikationen arbeiten. Wenn jemand in moralisch-verantwortlicher Weise Reichtum erwirbt und wenn er in kultivierter Weise damit umgeht, ihn nicht prasserisch zur Schau stellt, nicht die Sünde finanziert, sondern versucht, Gutes zu tun, dann geht das.

STANDARD: Aber kann jemand, der Moral hat, Geld anhäufen?

Henckel-Donnersmarck: Ja, durchaus geht das. Ginge das nicht, müssten wir gleich mit dem Wirtschaften ganz aufhören. Aber ich gebe natürlich zu, die Umweltbedingungen dazu sind momentan nicht sehr günstig. Die Wirtschaft ist nicht prinzipiell vom Teufel. Nur dann, wenn sie falsch gemacht wird.

STANDARD: Fehlt ein Korrektiv?

Henckel-Donnersmarck: Es gibt ja zwei Korrektive. Das weniger bekannte ist das Gewissen. Es gab jedoch in den letzten Jahrzehnten eine Abnahme der moralischen Verantwortlichkeit der Menschen. Das gilt auch für den Staat. Dieser versteht sich nur noch als Zusammenschluss von Interessenverbänden. Da wird nicht die innere Qualifikation des Tuns verbessert, sondern es werden nur eigene Interessen verteidigt.

STANDARD: Hat die Politik überhaupt die Kompetenz, um große (Wirtschafts-)Krisen zu meistern?

Henckel-Donnersmarck: Die Regierungen sind alle zu ängstlich. Es ist unglaublich, dass Dinge geschehen wie die ungebremste Finanzspekulation per Klick oder dass eine nur auf den Profit zugeschnittene Wirtschaftspolitik möglich ist. Und die Politik schaut verzagt zu. Selbst die Sozialdemokratie in unserem Land ist mehr oder weniger wirtschaftsliberal. Weder bei den Sozialdemokraten noch bei den Christlich-Sozialen sehe ich eine Orientierung - das gehört neu unterstützt.

STANDARD: Hat die Politik etwas aus den jüngsten Krisen gelernt?

Henckel-Donnersmarck: Sagen wir einmal so: Es hat immerhin ein Umdenken begonnen. Manchmal kommt man durch Unfälle drauf, dass etwas nicht stimmt. Aber ich bin überzeugt, dass der Staat nicht im engeren Sinn Wirtschaftstreibender sein soll. Bei der Hypo hat das Land Kärnten, also der Staat, diese Haftungen übernommen, da wollte man auch steuern.

STANDARD: Der Staat ist kein guter Wirtschafter, sagen Sie. Die Krise lehrt doch, dass andere das auch nicht besser können.

Henckel-Donnersmarck: Das stimmt natürlich. Aber ich glaube, dass es doch gehen müsste: Der Einzelne ist derjenige, der mit seiner Moral und seinen Tugenden in die Wirtschaft einsteigt.

STANDARD: Sie haben Welthandel studiert, waren erfolgreicher Manager bei einem großen Logis- tikunternehmen - was war der Grund, dass Sie dennoch aus diesem Rad ausgebrochen sind? Vom Spediteur zum Mönch?

Henckel-Donnersmarck: Es geschah nicht aus Verzweiflung. Ich war nicht von der unmoralischen Wirtschaft entsetzt. Ich gebe zu, es war für mich ein Punkt, wo ich fand, dass ich unter meinem religiösen Niveau gelebt habe. Ich empfand mich zu wenig religiös engagiert. Eigentlich gebe ich Ihnen auch schon dieses Interview mit einem inneren Vorbehalt. Eigentlich möchte ich nämlich Ostern feiern - eben ausgiebig.

STANDARD: Bevor Sie jetzt überhastet zu österlichen Feiern aufbrechen: Ihr jüngstes Buch sollte eigentlich "Cash mit Gott" heißen. Warum die Titeländerung?

Henckel-Donnersmarck: Weil mir am Schluss die Schneid ausgegangen ist. Meine Neffe Florian, der Filmregisseur aus Los Angeles, hat mir "Droh-E-Mails" geschickt: "Onkel, mit diesem Titel vernichtest du das Ansehen der Familie und schadest der katholischen Kirche. Der Titel ist obszön ...". Und auch mein Oberer im Orden hatte ernste Bedenken. Da habe ich dann gemerkt, dass sich hier Widerstände regen. Und heute bin ich sehr glücklich, dass der Verlag den Titel noch geändert hat.

STANDARD: Ein prächtiges Stift, Immobilien, Ländereien, vielfach verkaufte CDs mit singenden Mönchen - "Cash mit Gott" hätte doch gut gepasst.

Henckel-Donnersmarck: Natürlich sind die Zisterzienser von Heiligenkreuz als Institut reich. Aber die Mitbrüder einzeln sind nicht vermögend. Auch ich habe das Armutsgelübde abgelegt, ich besitze nichts. Seit 30 Jahren verdiene ich kein Geld.

STANDARD: Sie leben aber dennoch sehr komfortabel.

Henckel-Donnersmarck: Das Kloster sorgt für mich. Ich lebe für den Orden, für die Kirche, und ja, es ist nicht unkomfortabel. Aber ich versuche, sehr bescheiden zu leben. Wichtig ist eine Vermögenskultur. Es geht nicht darum zu sagen, es darf keinen Reichtum mehr geben - sondern darum, wie mit dem Reichtum umgegangen wird. In den zwölf Jahren als Abt mussten wir mit einem geringen zweistelligen Millionenbetrag an Erträgen den Aufwand, den wir haben - Pfarren, Denkmalpflege, Hochschule, für Karitatives, für das Leben der Kommunität -, mit Ach und Krach decken. Wir tun also genug an Wohltätigkeit. (Peter Mayr und Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 19.4.2014)