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Wie viele Rechte der Staatsholding ÖIAG bei der Telekom Austria im angestrebten Syndikat mit América Móvil zugestanden werden, ist noch offen. Viel Spielraum hat sie nicht

Foto: Reuters/GARRIDO

Wien - Handarbeiter würden das eineinhalbseitige Papier, in dem der Vizepräsident des Telekom-Aufsichtsrats vor "AUA-Schicksal" und "Todesspirale" warnt, wohl als "mit heißer Nadel gestrickt" bezeichnen. Zu viele Fehler haben sich eingeschlichen, zu offensichtlich ist der Zweck der Aufstellung: Panik bei Regierungsmitgliedern auslösen, nach dem Hypo-Debakel könnten auch bei der Telekom Austria (TA) Millionenzuschüsse notwendig sein.

Der auffälligste Schnitzer ist beim Gewinn (Netincome) passiert. Der betrug 2013 nicht 48 Millionen Euro, sondern 108, also mehr als das Doppelte. Das konnte der Verfasser, der von Großaktionär América Móvil (Amov) ins Kontrollgremium entsandte Investor Ronny Pecik, im Jänner freilich nicht wissen. Denn im November und vor Weihnachten hatte die TA-Führung ihren Aufsehern noch avisiert, dass an die 50 Mio. Euro an latenten Steuern schlagend werden könnten.

Auch beim Schuldenstand war der Verfasser großzügiger als der Wirtschaftsprüfer: Die Nettoverschuldung betrug Ende 2013 nicht 4,2, sondern "nur" 3,7 Milliarden Euro. Die Differenz ist eine Hybridanleihe, die zwar auch irgendwann zurückzuzahlen ist, in der Bilanz aber Eigenkapital darstellt.

Auf Basis dieser Zahlen war auch die für Politiker eingängige Schlussrechnung über den Schuldendienst falsch: Hochgerechnet dauert er nicht 84, wie im Warnschreiben vorgerechnet, sondern "nur" 34 Jahre. 84 dürfte wohl der Dramaturgie entsprochen haben, schließt das Papier doch mit einer Heilsbotschaft: "Wir werden die Schulden reduzieren, indem wir Geld einschießen."

Diese freilich hat das Zeug zu einem Aktienkurs-Killer, würde dies doch bedeuten, dass die angestrebte Kapitalerhöhung - in Rede steht eine halbe bis eine Milliarde Euro frisches Geld - für Schuldenreduzierung draufgeht. Und nicht, wie versprochen, für Expansion - oder Investitionen in Netzinfrastruktur.

Dick aufgetragen

Apropos: Dass für selbige, schwachbrüstig, wie die Telekom sei, kein Geld da wäre, scheint auch reichlich dick aufgetragen. Denn die Telekom investierte Jahr für Jahr 400 bis 700 Millionen Euro ins Netz.

Seinen augenscheinlichen Zweck hat das Minidossier übrigens erfüllt: Der Druck, einen Syndikatsvertrag zwischen den beiden Großaktionären ÖIAG (28,4 Prozent) und Amov (26,8 Prozent) abzuschließen, ist enorm gestiegen. Der bringt laut mit der Materie vertrauten Personen vor allem Amov Komfort: Der Vorsitz des Aufsichtsrats soll für die nächsten zehn Jahre wohl der ÖIAG vorbehalten sein, die beherrschende Mehrheit mit acht von 15 Kapitalvertretern aber nicht. Auch das TA-Headquarter soll zumindest zehn Jahre lang in Wien bleiben, was danach sein wird, ist unschwer zu erraten.

Zankapfel war bis zuletzt der Wunsch nach einer Sperrminorität der ÖIAG bei wichtigen Entscheidungen in der Satzung (etwa bei Kapitalerhöhungen). Soll der Hebel wirken, müsste die Grenze von 50 auf 75 Prozent angehoben werden. Andernfalls fehlte der Schutz vor künftiger Verwässerung. Wann die ersehnte Kapitalerhöhung kommt, ist offen. Sicher noch nicht in der ordentlichen Hauptversammlung am 28. Mai, da steht das Syndikat zur Genehmigung an. Ein Beschluss für frisches Geld hingegen wäre für die Übernahmekommission wohl abgestimmtes Verhalten.

Nirgends nachzulesen ist der unsichtbare Vorteil eines Syndikats für Amov: Sie würde die TA mit 30 Prozent de facto beherrschen und könnte die neue Tochter in ihrer Bilanz vollkonsolidieren. Ohne Pakt müsste ein Pflichtangebot (ist ab 30 Prozent nötig) mehr bieten als den miserablen Durchschnittskurs des letzten Halbjahrs.  (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 19.4.2014)