STANDARD: Die ÖVP Salzburg hat eine Programmdiskussion begonnen. Sie selbst haben bei der Präsentation von Todsünden der ÖVP-Politik gesprochen. Was war da gemeint?
Haslauer: Eines unserer althergebrachten Hauptprobleme ist die Versuchung, dass wir den Leuten erklären, wie sie leben sollen. Das ist nicht mehr. Wir haben eine derartige Vielfalt an Lebenssituationen, das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Was wir einfordern müssen, ist die Offenheit und Toleranz, dass auch andere Lebensformen möglich sind. Es gibt eben kein allgemeingültiges Lebensrezept mehr. Die Vielfalt an Lebensentwürfen kritisch aufzunehmen, ist eine der Aufgaben der Programmdiskussion.
STANDARD: Wo schreibt die ÖVP denn den Menschen vor, wie sie zu leben haben?
Haslauer: Die ÖVP schreibt programmatisch nichts vor, aber eine Stimmungslage und ein prägendes Bild der Partei macht hie und da den Eindruck, dass sie etwas vorschreiben will. Nehmen Sie das alte Beispiel: „Ganztagsschule ist gleich Zwangstagsschule“. Heute sind ganztägige Betreuungsformen kein Thema mehr. Früher war ein moralisierender Zeigefinger in Richtung Rabenmutter dabei. Diese bevormundende Art ist nicht zeitgemäß.
STANDARD: Das größte Problem hat die ÖVP im urbanen Raum. Wie wollen Sie denn die Neos-Wähler wieder zurückgewinnen?
Haslauer: Es ist gut, dass das passiert. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten haben wir wieder ein Engagement der Bürgerlichen in unserem Land. Neos ist auch ein Weckruf für die ÖVP. Und das ist auch eine Chance. Der Diskurs ist positiv und vielleicht gibt es auch neue Kombinationen. Die Frage ist aber, ob das ein Konzept auf Dauer ist. Neos sieht sich als eine liberale, bürgerliche Upper-Class, der es gut gefällt, sich in das Feld der Politik zu begeben. Das ist legitim und gut. Natürlich schmerzen uns aber die fehlenden Prozente. Mit einer Kannibalisierung des bürgerlichen Lagers würde die Möglichkeit gestaltender Mehrheiten verloren gehen.
STANDARD: In Salzburg haben wir fast ein Jahr Schwarz-Grün. Wie ist Ihre Bilanz?
Haslauer: Schwarz-Grün-Stronach! Es geht gut, es ist ein neuer Stil ohne Bösartigkeit und Streit.
STANDARD: Arbeiterkammerpräsident Siegfried Pichler sagt, die Grünen wären nur das Beiwagerl der ÖVP-Regierung. Gibt es ein Beispiel, wo sich die Grünen auch einmal durchgesetzt haben?
Haslauer: Tempo 80 auf der Stadtautobahn als das Beispiel, das ist ein Kernanliegen der Grünen. Aber natürlich haben wir die Regierungserfahrung seit 1945 und für die Grünen ist vieles neu. Das darf man nicht unterschätzen.
STANDARD: Ist für Sie Schwarz-Grün ein Modell für den Bund?
Haslauer: Ja, nur geht es sich rechnerisch nicht aus. Auf Bundesebene habe ich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich gegenüber einer großen Koalition über so viele Perioden skeptisch bin. Ich hätte mir vorstellen können, dass Neos in die Bundesregierung geht. Eine rot-schwarz-pinke Kombination wäre ein bisschen neues Denken. Ich sehe das in Salzburg: Plötzlich wird alles hinterfragt und von irgendwem kommt die Frage zu Dingen, die immer schon so waren: Muss das so sein?
STANDARD: Salzburg steht vor einer wichtigen Entscheidung. Sie selbst sagen, das Land sei nicht mehr krisenresistent. Ist das schon die mediale Vorbereitung auf den Verkauf des Wohnbaufonds? Ist die Entscheidung de facto schon gefallen?
Haslauer: Die Entscheidung ist in keiner Weise gefallen. Aber das Ausmaß der Verschuldung ist besorgniserregend. Man kann sich noch ein paar Jahre dahinhanteln, wenn die Arbeitslosigkeit niedrig bleibt, das Wirtschaftswachstum stimmt und die Zinsen nicht steigen. Sonst haben wir ein veritables Problem. Es gibt bei der Wohnbauförderung Hausaufgaben zu erledigen. Zum einen müssen wir den Fonds in einen rechtlichen, wirtschaftlichen, transparenzmäßigen Zustand bringt, der den heutigen Anforderungen entspricht. Das ist nämlich nicht der Fall. Der zweite Punkt ist, die Vorgabe zumindest gleich viele oder mehr Wohnungen als bisher zu bauen und, dass auch die Empfänger von Wohnbauförderungen nicht schlechtergestellt werden, als bisher. Wenn diese Prämissen stimmen, müssen wir beurteilen, ob es sinnvoll ist, den Fonds oder Teile davon zu verkaufen.
STANDARD: Aktuell zürnen die Länder dem Bund in Sachen Bildungspolitik. Besonders kritisiert wird Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) für die Verordnung, nach der Länder Gelder für Lehrer, die sie über den mit dem Bund vereinbarten Stellenplan hinaus beschäftigen, zurückzahlen sollen. Wie ist da die Salzburger Sicht?
Haslauer: Auch aus Salzburger Sicht ist die Vorgangsweise des Bundes in dieser Frage inakzeptabel. Der veränderte Wert für die Kostentragung einer Stellenplanüberschreitung ist sachlich nicht gerechtfertigt. Für Salzburg ist zu beachten, dass die Zahl der Neuanstellungen bei weitem das Ausmaß der Planstellenüberschreitungen übersteigt. Anders gesagt, die Überschreitung wird ausschließlich durch Junglehrer ausgelöst, deren Lohnkosten keinesfalls den von der Bundesministerin vorgesehenen Überschreitungsbetrag rechtfertigen. Dass ohne vorherige Einbindung der Länder und insbesondere ohne sich an die den Konsultationsmechanismus zu halten, vorgegangen wurde, lehnen wir ab.