Sieht so Berechnung aus?

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Nicht Hunger, nicht Schmerz und auch nicht der Wunsch nach körperlicher Nähe sei es, was Kleinkinder in der Nacht aufwachen und nach der Mutterbrust verlangen lasse. Vielmehr wollen Babys durch dieses Verhalten sicherstellen, dass ihre Eltern keinen weiteren Nachwuchs zeugen können. Das schreibt David Haig, Evolutionsbiologe an der Harvard University in Cambridge im Bundesstaat Massachusetts, im Fachjournal "Evolution Medicine, and Public Health".

Das zentrale Ansinnen der kleinen Nacht-Schreier und Brust-Begehrer sei es laut Haig, möglichst lange gestillt zu werden. Denn: In kurzen Intervallen stillende Frauen haben keinen Eisprung und können daher in dieser Phase nicht wieder schwanger werden. Also sind Babys, so lange sie regelmäßig gestillt werden, vor Geschwistern gefeit, die elterliche Aufmerksamkeit und Mutters Milch abziehen könnten. Das wissen die Babys Haig zufolge instinktiv.

Brüllen für die Selbsterhaltung

Es handle sich beim nächtlichen Schreien also um den Ausdruck eines evolutionsbiologisch erklärbaren Selbsterhaltungstriebs von Kleinkindern, die damit ihre Versorgungssituation absichern wollen. In früheren Zeiten sei die Überlebenschance von Kindern in den ersten Lebensjahren tendenziell gesunken, wenn in dieser Zeit ein jüngeres Geschwisterkind geboren wurde.

Dieser Zusammenhang lasse sich noch heute belegen, schreibt Haig, und verweist auf eine 1996 im ländlichen Senegal durchgeführte Studie: Im zweiten Lebensjahr haben Kinder dort eine 16-prozentige Sterbenswahrscheinlichkeit, wenn ein jüngeres Geschwisterkind vorhanden ist. Bei Einzelkindern liegt dieses Risiko dagegen bei lediglich vier Prozent.

Geschwister auf Abstand halten

Haig verweist auf weitere Studien, die darauf hinweisen würden, dass Kinder in den ersten sechs Monaten häufiger durchschlafen. Dies liege daran, dass die Mütter in dieser Zeit ohnehin keinen Eisprung haben, also kein weiterer Nachwuchs "drohe". Zwischen sechs und zwölf Monaten, wenn bei nicht stillenden Müttern tendenziell wieder ein Eisprung stattfindet, würden Babys regelmäßig in der Nacht schreien. Nach zwölf Monaten schliefen viele Kinder wieder durch. Der Grund: Der Abstand zu potenziellen Geschwistern ist nun groß genug, um das eigenen Überleben nicht mehr relevant zu gefährden.

"All diese Beobachtungen untermauern die Hypothese, dass nächtliches Aufwachen und der Wunsch, gestillt zu werden, dem Zweck dient, die Geburt eines jüngeren Geschwisterkindes hinauszuzögern und so die eigenen Überlebenschance zu verbessern", so Haig. (lima, derStandard.at, 18.4.2014)