Schilder mit der weißen Silhouette eines Pkw vor rotem Hintergrund, einem Reisekoffer oder einem Sektglas geben in China keinen Hinweis, wo es zum nächsten Ausflugsrestaurant geht. Die drei Symbole gehören Rzu 15 besonderen Zeichen, mit denen die Zeitungen Pekings neue Kampagne gegen Korruption und Machtmissbrauch unter Partei- und Regierungsbeamten illustrieren. Jedes symbolisiert einen anderen strafwürdigen Verstoß. Das Autozeichen steht für den Missbrauch von Dienstwägen, der Koffer für touristische Spritztouren, die Funktionäre auf Staatskosten machen, und das Glas für "Prassen beim Essen und Trinken auf Spesen".
Ende 2012 hat in China eine neue Antikorruptionskampagne begonnen. Der damals frischgekürte Staats- und Parteichef Xi trat sie mit einem Kodex von acht Verboten los, damit die Chinesen wieder voller Achtung und Respekt auf ihre Behörden blicken können. Bis Ende Dezember hatten Pekings oberste Parteikontrolleure 30.420 schwarze Schafe unter vorwiegend "im Mittelbau" tätigen Funktionären erwischt. 7692 wurden disziplinarisch scharf bestraft.
Kampagne geht weiter
Doch die Kampagne geht auch 2014 weiter. Seit dem 1. April veröffentlicht die allmächtige ZK-Kommission für Disziplinkontrolle in Peking auf ihrer Webseite in wöchentlichem Abstand Tabellen über den Eingang neuer Korruptionsfälle aus allen Provinzen Chinas. Jede Woche müssen lokale Parteikontrolleure an die zentrale Erfassungsstelle weitermelden, wie viele neue Fälle an Bestechungen, Amtsmissbrauch oder Spesenrittertum aufgedeckt und wie sie bestraft wurden.
Die meisten der erwischten kleinen Beamten, die auf zu großem Fuß lebten, kommen mit einer strikten Verwarnung davon. Unter den 15 Sonderzeichen steht der Dienstwagenmissbrauch, der in China auch "Korruption auf Rädern" genannt wird, an erster Stelle. Zu weiteren bestraften Vergehen gehören verschwenderische Veranstaltungen und Gelage, die Annahme oder Verteilung von Geschenken, Kreditkarten und Coupons, Vorteilsnahme durch die Ausrichtung pompöser Hochzeiten und Trauerfeiern für die eigene Familie, Glücksspiele um Geld, wie Mah-Jongg. Das Zeichen für ein Protokoll mit geschwärzten Sätzen bezieht sich auf nicht genannte Vergehen von Parteifunktionären, von denen die Öffentlichkeit besser nicht erfahren soll.
Gleich zu seinem Amtsantritt hatte Xi versprochen, "Fliegen und Tigern" den Garaus zu machen. Inzwischen hat der Parteichef, auch als Teil eines neuen Machtkampfes, tatsächlich mehr als drei Dutzend hochrangige Funktionäre aus Partei und Armee festnehmen lassen, vom früheren Politbüroausschuss-Mitglied und Ex-Polizeizaren Zhou Yongkang über Provinzgouverneure und Minister bis zum Vizelogistikchef der Armee, General Gu Junshan.
"Besen Xi" kehrt auf
Mit rechtsstaatlichem Vorgehen hat die parteiinterne Säuberung nichts zu tun. Ohne Beteiligung von Richtern und Anwälten nimmt die Parteizentrale jene Täter fest, die extremer Korruption beschuldigt werden. Erst nach Abschluss der Parteiermittlungen werden sie der Justiz zur Aburteilung überstellt. Zum Schrecken von hunderttausenden Beamten hört der "neue Besen Xi" nicht mehr auf zu kehren. Die Kampagne gegen Korruption, Amtsmissbrauch und Vergeudung tritt nun in ihre systematisierte Phase.
Sie zeitigt Früchte, sagte jetzt Zhang Zhongliang, Abteilungsleiter der nationalen Statistikbehörde, nach Angaben der Justizzeitung Fazhi Wanbao. So sei die Zahl der 2013 in China offiziell auf Staatskosten veranstalteten Konferenzen gegenüber 2012 um die Hälfte zurückgegangen. Viele vom "Staatskonsum" profitierende Hotels, Restaurants, Karaokebars oder Geschäfte für teure Schnäpse und Tabak hatten das Nachsehen. Der Verkauf von Luxusspirituosen und Wein brach 2013 etwa um 40 Prozent ein. Ein Gutes hat die Kampagne zumindest für die Familien der Staatsbeamten, sagte Zhang. Nach Erhebungen seiner Behörde konnten Chinas Funktionäre 2013 im Durchschnitt des Jahres täglich um eine halbe Stunde früher nach Hause kommen: weil so viele Abendveranstaltungen und Bankette abgesagt wurden. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, 18.4.2014)