STANDARD: Ihr Wahlbündnis tritt dezidiert für den EU-Austritt Österreichs ein. Was, wenn Sie am 25. Mai ein Mandat erringen - und im EU-Parlament landen?
Marschall: Dann werden wir dort den maximalen Protest Österreichs gegen diese EU zum Ausdruck bringen. Denn es gibt keinen Grund, sich länger von den Lobbyisten in Brüssel vorschreiben zu lassen, was wir hier zu tun haben, angefangen beim Verbot der Glühbirnen, bis hin zu jenem für Kaffeemaschinen, die angeblich zu viel Strom verbrauchen.
STANDARD: Genauso gut könnte ein Gegner der Demokratie bei der Nationalratswahl antreten - und dann als Parlamentarier für ihre Abschaffung kämpfen. Ihr Vorhaben ist doch absurd?
Marschall: Zur Präzision: Das EU-Parlament wollen wir ganz sicher nicht abschaffen. Aber was schlagen Sie vor? Dass nur EU-Befürworter im EU-Parlament sitzen sollen? Wie unser Name "EU-Stop" schon sagt, wollen wir die Fehlentwicklungen der Union stoppen - auch wenn das EU-Parlament nur ein Scheinparlament ist. Dort kann ein Abgeordneter ja nicht einmal einen Initiativantrag stellen.
STANDARD: Ein Austritt würde das Land wohl in wirtschaftliches Chaos stürzen, weil es wieder Zölle und unzählige Sonderabkommen bräuchte. Ist es nicht unverantwortlich, den Leuten die radikalste aller Lösungen einzureden?
Marschall: Unverantwortlich ist die Politik der EU und der Regierung. Es kann nicht sein, dass Milliarden für die Bankenrettungen ausgegeben werden, und gleichzeitig steigt die Zahl der Obdachlosen und Arbeitslosen. Derzeit ist Österreich Nettozahler - und wir fordern, dass unser Steuergeld hier bleibt. Nur so kann es wieder aufwärtsgehen. Ich bin Betriebswirt, glauben Sie mir das.
STANDARD: Wie soll die Union mit finanzmaroden Mitgliedsstaaten wie Griechenland verfahren?
Marschall: Das ist das Problem der Union und nicht unseres.
STANDARD: Wir sind EU-Mitglied, also geht uns das doch etwas an?
Marschall: Unsere Liste ist aber für ein souveränes Österreich, und deswegen wollen wir uns nicht in die Angelegenheiten der anderen Staaten einmischen.
STANDARD: Seit der großen Krise ist aber allgemein bekannt, dass es zu gefährlichen Dominoeffekten kommen kann, wenn ein EU-Staat schwächelt.
Marschall: Das spüren wir ja jetzt schon mit 450.000 Arbeitslosen. Die EU ist kein Erfolgskonzept, nur für die Banken, nicht für die Menschen.
STANDARD: An der Staatsgrenze wollen Sie wieder das Bundesheer postieren. Wo genau?
Marschall: Wir wollen Grenzkontrollen an allen Straßenübergängen und Bahnübergängen - so wie es das bis 1995 gegeben hat.
STANDARD: Die Grenzkontrollen führten einst Beamte der Zollwache und der Grenzpolizei durch - und als Schengen-Mitglied würde die Union doch mittlerweile keinen Aufmarsch des Bundesheeres mehr an der Grenze dulden?
Marschall: Sie versuchen, unser Anliegen ins Lächerliche zu ziehen. Aber durch die unkontrollierten Grenzen gibt es hier mittlerweile verstärkt Waffenhandel, Menschenhandel, Drogenhandel und Autodiebstähle. So kann das nicht weitergehen. Daher ist es sinnvoller, dass das Bundesheer unsere Staatsgrenzen schützt als irgendwelche Grenzen im Ausland, etwa in Afrika. Der Auftrag des Bundesheeres ist es, Österreich zu verteidigen - und nichts anderes.
STANDARD: Aber wir befinden uns weder im Krieg, noch ist für den Staat Gefahr im Verzug?
Marschall: Es ist aber wesentlich effizienter, die Grenzen zu kontrollieren, als jedes Haus und jedes Auto einzeln zu bewachen. Vor allem in Ostösterreich bringen die Menschen ja schon drei Schlösser an ihren Türen an.
STANDARD: Sehnen Sie sich eigentlich nach den Zeiten des Eisernen Vorhangs zurück?
Marschall: Was ist das für eine Frage! Es hat auch damals offene Grenzen gegeben - Sie konnten jederzeit ins Ausland fahren.
STANDARD: Wie bitte? An den Grenzen gab es Stacheldraht, Wachtürme, und die Bürger riskierten Leib und Leben, wenn sie hinüber- oder herüberwollten.
Marschall: Das war das politische Problem der Ostblockstaaten - und wir sind freilich für mehr Demokratie und gegen Diktaturen. Heute aber fahren vor allem die Kriminellen ständig hin und her, nicht unbedingt die Österreicher.
STANDARD: Nicht wenige Österreicher lassen doch in Ungarn ihr Gebiss renovieren und tätigen dort ihre Großeinkäufe?
Marschall: Viel lieber wäre es uns natürlich, wenn die Menschen in Österreich einkaufen und zu österreichischen Zahnärzten gehen.
STANDARD: Sie sind Herausgeber von "Wien-konkret", auf der Webseite wird Konsumenten zu Hamsterkäufen geraten - wieso das?
Marschall: Unser Wahlbündnis tritt in seinem Programm nicht dafür ein. Aber Sie sprechen einen sehr guten Artikel des Stadtmagazins an, der erklärt, wie man Vorräte für schlechtere Zeiten anlegt, die bald kommen können. Denn der Euro kann ja jederzeit zerfallen oder zumindest im Wert stark abgewertet werden. Wenn wir unsere Staatsschulden nicht in den Griff kriegen, geht es uns bald wie Griechenland.
STANDARD: Sie appellieren gern an die Ängste der Leute, nicht?
Marschall: Da sind Sie naiv. Wenn der Euro eine so tolle Währung wäre, dann würden wir ja nicht andauernd Milliarden für seine Rettung brauchen.
STANDARD: Ihr Stadtmagazin bewertet auch Schwimmbäder nach Inländer- und Ausländeranteilen - wie kommen Sie dazu?
Marschall: Was ist daran schlimm?
STANDARD: Diese Angaben erinnern an Apartheidpolitik. Unter "Floridsdorfer Bad" stand etwa zu lesen: "Inländer zu Ausländer circa Halbe:Halbe", unter "Theresienbad" "geringer Inländeranteil".
Marschall: Die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die Antidiskriminierungsstelle haben sich das angeschaut und keinen Rechtsverstoß darin gefunden.
STANDARD: Haben Sie die Besucher nach ihren Pässen gefragt oder gingen Sie da nach dem Aussehen?
Marschall: Natürlich sind das Schätzungen, aber es hat sich darüber noch nie jemand beschwert. Auch das Innenministerium und die Statistik Austria ermitteln solche Zahlen. Wir beschreiben für die Konsumenten nur, wie es ist - weil jeder wählen können soll, was er gerne hätte.
STANDARD: Sie wollen zurück zum Schilling, ihn an den Franken koppeln, dazu eine Neutralität und direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild. Schon einmal überlegt, einfach dorthin auszuwandern?
Marschall: Keineswegs. Wir von "EU-Stop" sind heimatverbundene Österreicher und wollen auch hier bleiben - um das Land in eine bessere Zukunft zu führen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 18.4.2014)