Onkelt und knurrt nicht nur wie ein alter, versauter Kater, er singt jetzt auch: Dieter Meier. Musiker und halbwegs gut angezogener Schweizer.

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Wien - Dieter Meier? Hm. Wenn Dieter Meier einmal ein Jahr hat, in dem er sich keine neue Hose kauft, rutscht er in der Wahl des bestangezogenen Schweizers von Platz eins auf drei. Ansonsten nimmt er daheim am Zürichsee die Rolle eines eidgenössischen André Heller ein.

Er hat zu allem etwas zu sagen, deshalb wird er gern gefragt. Wenn denen im Fernsehen oder in den Zeitungen nichts einfällt, ein Anruf bei Herrn Meier, und man bekommt die Dinge erklärt. Die Krise des Musikgeschäfts, Spielsucht, was braucht ein Mann von Welt in seinem Kleiderschrank, worauf kommt es im Weinbau, bei der Rinderzucht oder der Kindererziehung an, warum sind die Schweizer Uhren so gut, wie war das, als Sie vor 250 Jahren den Videoclip erfunden haben? Herr Meier bietet zuverlässig Trost und Rat.

Dieter Meier kennt die Welt möglicherweise als Sänger des visionären Schweizer Duos Yello. Anfang der 1980er-Jahre standen Meier als Lautsprecher und sein Kompagnon Boris Blank im Maschinenpark an vorderster Front in Sachen elektronisch erzeugter Popmusik. Mit Nummern wie The Bostich (1980), Alben wie You Gotta Say Yes To Another Excess (1983) oder der Motorsport-Hymne The Race (1988) prägten sie die Popwelt vor allem mit innovativen Videoclips.

Zeitloser Halbgreis

Immerhin ist das konzertfaule Duo das letzte Mal vor 35 Jahren live aufgetreten und muss anderweitig Produkte bewerben. Auch den immer etwas halbseidenen älteren Märchenonkel und Kinderverzahrer etablierte Dieter Meier als zeitloser Halbgreis, lange bevor die Diskussionen auftauchten, ab wann man zu alt für die Popmusik sei. Dieter Meier war immer schon alt. Derzeit ist er 69.

Dieter Meier ist allerdings während der letzten Jahre nicht mehr unbedingt als Künstler in Erscheinung getreten. Alben von Yello - ein neues steht im Oktober ins Haus - geraten schon seit gut 20 Jahren zum Dienst nach Vorschrift, in dem Boris Blank Orchestersounds aus den 1950er-Jahren den Tod aus der Steckdose verpasst und Meier darüber beschwörend Banalitäten onkelt. Bankierssohn Meier hat immerhin genug anderes zu tun. Er besitzt Restaurants, stellt Uhren her, hält Anteile an einem Verlag und einer Bergbahngesellschaft - und er produziert auf einer bundeslandgroßen Farm in Argentinien Wein und Biorind. Während Boris Blank mit der Jazzsängerin Malia das verhaltensunauffällige Album Convergence eingespielt und die lustige Handy-App Yellofier entwickelt hat, veröffentlicht Meier nun mit Out of Chaos ein spätes erstes Soloalbum.

Gemeinsam mit Musikern wie Schlagzeuger Thomas Wydler aus Nick Caves Band oder dem Berliner Technorandalierer T.Raumschmiere entstanden so zwölf Stücke mit Yello-Reminiszenzen, vor allem aber atmosphärische, mit Liveband eingespielte Lieder aus der Schule eines Tom Waits oder David Lynch.

Sie sind mit viel Hall, Herz, Plüsch und der einen oder anderen Zigarette in der Hand ausgestattet. Die versucht man zu rauchen, während man auf einem Barhocker hängt. Das Whiskeyglas hat sich verirrt und das Mikrofon mit dem Mund verwechselt. Jemand sagt, dass man nach Hause gehen soll. Aber die Pointe kommt doch erst noch! Großes Kino. Und Meier onkelt und knurrt nicht nur wie ein alter versauter Kater, er singt jetzt auch. Sogar live. Sensationell. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 18.4.2014)