"Man kann sich nicht auf Lüge und Dämlichkeit einer Vorderseite fixieren", sagt Heinrich Dunst über das Bild.

Foto: Michael Michlmayr/Secession

Wien - "Und das ist eine Leinwand", sagt Heinrich Dunst. Und während der Künstler noch auf das Bildrechteck zeigt, wächst beim Betrachter der Zweifel. René Magritte hatte das Spiel noch andersherum gespielt. Ceci n'est pas une pomme. - Dies ist kein Apfel. Aber dessen ursprünglich medienreflexiver, Absolutheit, Abbildungstalent und Illusionismus der Malerei anpatzende Bildwitz ist inzwischen zum Kalauer geworden, der die Welt der Apfeltelefone erreicht hat.

Also noch einmal: "Das ist eine Leinwand", sagt Dunst beim Rundgang durch seine Ausstellung in der Secession und schließt damit an das Unbehagen der Medientheorie an: ein Unwohlsein angesichts der Unschärfe, die sich im Zusammenspiel der disparaten Zeichensysteme Sprache und Bild ergibt.

Fake oder Faksimile

Die Leinwand? Sie ist freilich keine. Sie ist ein Fake. Die Leinwand wird im Scanner in eine Datenmenge übersetzt und als 1:1-Faksimile wieder ausgeworfen. Diese Verschiebung der Realität wird allein durch die digitalen Medien möglich. Die Perspektive, die bisher ein Verhältnis des Menschen zum Abgebildeten verdeutlicht hat, ist verlorengegangen. "Der Fake-Charakter von Realität kriegt eine unerhörte Bedeutung für unsere mediale und soziale Dimension", sagt Dunst. Die Medien suggerieren eine Unmittelbarkeit, die niemals eingelöst werden kann. Gefährlich wird es also, folgt man diesem Gedankengang, wenn das Medium diese Differenz  – und damit die Funktion Sinn zu stifen – nicht mehr herstellen kann.

Angefangen hat das Unbehagen mit der Erkenntnis, dass es zu einfach wäre, das Bild als Fenster zur Welt zu begreifen und verschriftlichte Sprache als das überlegene Medium anzusehen, das Wirklichkeit zu abstrahieren vermag. Zwar versuchte man zunächst, den Abgrund zwischen sich und der Bilderwelt durch Texte zu überbrücken, aber irgendwann wurden sogar diese opak. Die Texte "werden ,unvorstellbar', und der Mensch beginnt, sie zu verlassen", beschrieb Vilém Flusser dieses Dilemma einmal.

Schrift und Bild sind längst keine dichotomen, aufeinander verweisenden Systeme mehr, vielmehr ist ihr Zusammenwirken dynamisch geworden. Ein Verhältnis, das die Kommunikationsphilosophie (Jacques Rancière, Roland Barthes u. a.) seit langem -diskutiert. Dunst (geb. 1955 in Hallein) verfolgt den Diskurs nicht nur, sondern versucht diesen - an Marcel Broodthaers anknüpfend - in seiner Kunst sichtbar zu machen.

Und so folgen seine Präsentationen, die oft als Verräumlichung abstrakter Malerei umschrieben werden, nicht selten der Syntax von Sprache oder der Form von Büchern, wo Bild und Text, Sicht- und Sagbares verschränkt werden - in der Absicht, zu "zeigen", auf etwas zu verweisen, was außerhalb des Blattes liegt: Sinn.

Mal schwärzt Dunst die Bilder, mal den Text der Seiten, isoliert die Zeichensysteme wieder voneinander, macht "Lücken" und "Risse" in ihrem Zusammenspiel sichtbar: Rosa Buchstaben aus industriell gefertigtem Dämmmaterial, die Dunst wegen ihrer synthetischen und daher fern der Sentimentalität befindlichen Farbe schätzt, werden wieder zu Bausteinen, die an der Wand lehnen: als Körper "D" und Körper "A". Aber die Sprachrepräsentanten formieren auch den Ausstellungstitel DA - der unter anderem auf eine Geste des Deutens verweist: "Wird das Sehen der Hand zur Gewissheit ihrer Existenz?", zitiert der Künstler Wittgenstein. 

Was ist das Bild, und wo fängt es an?", "Ist die Spur der Farbe auf der Malerhose oder ihre Spur auf der Leinwand wichtiger?", "Was ist die Vor-, was die Rückseite?", fragt Dunst und schiebt uns eine diagonale, jeder Tradition des Raumes widersprechende "Bild"-Wand in den Weg. Ist dahinter aber wirklich die Rückseite? Verschoben werden nicht nur Wände, gerückt wird vielmehr an Vorstellungen und Übereinkünften.

Einziger Wermutstropfen: Die Ausstellung ist keine permanente Performance Dunsts. Denn ein bisschen Seh-Anleitung im Kombination mit kleinen Dosen Kommunikations- und Medienphilosophie könnte nicht schaden. Auch wenn Dunst selber sagt: "Ich möchte nicht intellektuelle Ideen illustrieren. Ich will Kunst machen. Und sie soll rätselhaft und schön und spannend und fremd sein." (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 16.4.2014, Langfassung)