Fantastisch elastisch: Andrew Garfield im Kostüm und beim Tagewerk des "Amazing Spider-Man".

Foto: Sony Pictures

Wien - Am wuchtigen, verstaubten Monitor eines Computers aus den 1990er-Jahren begegnet der Held sich selbst: Er erhält nicht nur einen wichtigen Hinweis über die Grundlagen seiner Mutation. Seine eigene Stimme hallt aus der Vergangenheit, ein Kind, das seinen Papa ruft. Peter Parker hat ein weiteres Puzzleteilchen aus seiner Vita gefunden. Gänzlich einzuordnen weiß er es nicht. Vieles muss in Schwebe bleiben, damit das Seriengeschäft funktioniert.

Zwei Jahre nach dem Neustart des Spider-Man-Franchise werden die Abenteuer des nun wieder mit dem Attribut "amazing" versehenen Spinnenmenschen fortgesetzt. Andrew Garfield spielt weiterhin den jungen Mann, der seit dem Biss einer genetisch veränderten Spinne ein Doppelleben führt. Regisseur Marc Webb, bei Teil eins noch Action-Quereinsteiger, hat wieder inszeniert.

Aber mit dem Director of Photography Daniel Mindel, der auch J. J. Abrams' Star-Trek-Filme ins Bild setzt, gibt es eine Neubesetzung an zentraler Stelle: Die Aufnahmen wirken fließend - die Herkunft der Abenteuerserie als Comic rückt visuell wieder stärker in den Vordergrund. Der Fokus liegt auf den Protagonisten, die sich scharf konturiert von ihrer Umgebung abheben. Die Kamera schmiegt sich auch sonst an die federnde Körperlichkeit des Helden an. Immer wieder erschweren durchsichtige, spiegelnde Oberflächen die Orientierung. Die Perspektive ist aus festen Koordinaten gelöst, seltsam verdreht - so wie der Held, der an seinen schimmernden Spinnenfäden schwingend, an steilsten Außenwänden haftend oder an höchsten Aussichtspunkten innehaltend seinen Weg durch die Stadt New York und die Erzählung nimmt.

Peter Parker, das weltliche Selbst des Superhelden, versäumt zu Beginn des Sequels die Rede seiner klugen Freundin Gwen Stacy (Emma Stone) und beinahe noch den Rest der eigenen Schulabschlusszeremonie. Gwens toter Vater, der aus Teil eins noch herübergeistert, hält Peters Gewissensbisse wach. Zugleich gehen ihm der eigene Vater und das Geheimnis, das über dem Verschwinden seiner Eltern liegt, nicht aus dem Sinn.

Superschurke leuchtet blau

Neben der Familienvergangenheit und der Liebesgeschichte, die es weiterzuerzählen gilt, steht Peter als Vigilant im blau-roten Anzug inzwischen öffentlich auf dem Prüfstand: Seine Motive und die Konsequenz seiner Interventionen werden hinterfragt. Dann taucht mit dem emotional instabilen Electro (Jamie Foxx) ein gefährlicher neuer Gegenspieler auf.

Die erste Konfrontation mit Electro - ein bläulicher Leuchtkörper, der unter Spannung steht und gewaltige Blitze schleudert - findet am nächtlichen Times Square einen entsprechend aufgeladenen Schauplatz. Später wird in einem Umspannwerk eine veritable Lichtorgel angeworfen.

Buchstäblich verstärkt wird die Wirkung des neuen Gegenspielers mit einem mächtigen musikalischen Thema (Pharrell Williams, Johnny Marr und Hans Zimmer zeichnen für die Originalmusik verantwortlich). Das Wispern in seinem Kopf schwillt zu einer dunklen Suada an, ein nervöser Rhythmus grundiert die Szene effektvoll.

Wenngleich The Amazing Spider-Man 2 nicht durchgängig so stimmig und dicht komponiert bleibt - 142 Minuten lang ist auch das Publikum nicht hochkonzentriert -, so liefert er doch sehr viel Schauvergnügen. Garfield hat sich die Figur ernsthaft lässig angeeignet, Stone wird immerhin etwas weniger unter Wert geschlagen als im ersten gemeinsamen Filmabenteuer.

Einnahmenseitig hat sich der Neuanfang - nach den drei Sam-Raimi- Spider-Man-Filmen mit Tobey Maguire und Kirsten Dunst - jedenfalls schon als gute Entscheidung erwiesen und weltweit rund 750 Millionen US-Dollar eingespielt. Zwei weitere Fortsetzungen mit dem Amazing Spider-Man sind bis 2018 schon angekündigt. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 16.4.2014)