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Kindererziehung auf dem Mars? Ein Raumfahrtbegeisterter aus Kroatien möchte ein psychologisches Forschungsprojekt auf die Beine stellen.

Foto: Corbis / Steven Hobbs

Wien - Was kann man erwarten, wenn Kinder auf dem Mars aufwachsen? Wie werden sie lernen? Wo spielen? Welche Religion werden sie haben? Sie leben ohne dem Umfeld der Natur der Erde, ohne Haustiere. Gravitation und Sonneneinstrahlung divergieren. Nur alle paar Jahre kommt Nachschub von der Erde. Wie mit Aggressionen, Depressionen, mit rebellischen Teenagern umgehen? Ist es überhaupt ethisch vertretbar, dort Kinder zu bekommen?

Das sind Fragen, über die sich Goran Nikolasevic Gedanken macht. Der Kroate ist Repräsentant der World Space Week Association und Erfinder - er hat selbst Zahnpasta in Tablettenform entwickelt - und sucht Experten und unterstützende Institutionen für sein Psychologie-Projekt. Immerhin plant die Mars-One-Initiative, bereits in zehn Jahren erste Siedler auf den Roten Planeten zu schicken. Stressfaktoren in der Raumfahrt wurden in Nikolasevics Projekt bereits erhoben.

Nun soll studiert werden, wie Kinder an entlegenen Plätzen der Erde, in der Arktis, auf Inseln, in Wüsten aufwachsen, um Rückschlüsse für die Erziehung am Nachbarplaneten zu ziehen. Sicher ist, meint Nikolasevic, dass die am Mars Geborenen anders sein werden als Erdlinge: "Sie werden Marsianer sein."

Nikolasevic stellte seine Ideen 12. April beim ersten Wiener SpaceUp vor, das zusammen mit der Yuri's Night stattfand, bei der dem ersten Menschen im All, Juri Gagarin, gedacht wird. SpaceUp, das ist eine Art "Barcamp für Weltraumfragen", erklärt Organisatorin Maria Pflug-Hofmayr, die die Astronomie-Plattform "Der Orion" betreibt und mit ihrem Team die internationale Initiative ins Wiener Technische Museum geholt hat. In einer offenen Umgebung soll bei der "Nichtkonferenz" ohne fixes Programm jede Idee präsentiert werden können. "Es wird gevotet. Jene Ideen, die die meisten Zuhörer finden, werden im Hauptraum vorgetragen", erklärt Pflug-Hofmayr.

Die Spannbreite der Vorträge reichte von Ballontests für die Marsforschung bis zum Design orbitaler Raumstationen mit künstlicher Gravitation. Passend zur möglichen Besiedelung des Mars diskutierten etwa Forscher des European Space Policy Institutes in Wien darüber, ob One-Way-Tickets auf andere Planeten - ohne die Möglichkeit jemals wieder auf die Erde zurückzukehren - moralisch vertretbar seien.

Weltraumarchitektin Barbara Imhof von der TU Wien zeigte Habitat-Design, Physiker Werner Gruber machte sich über die Arbeit des Gehirns unter den Konditionen des Weltalls Gedanken und Christopher Vasko, Mitorganisator des Events und selbst Mars-One-Kandidat, sprach über sogenanntes kaltes Plasma, das die Selbstheilung von Wunden im hohen Maß anregt. Eine Funktion, die man auf fremden Planeten gut gebrauchen könnte.

Die anschließende Yuri's Night, eine internationale Initiative, die mittlerweile zum sechsten Mal in Wien stattfand und unter anderem vom Infrastrukturministerium, der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und der FH Technikum Wien unterstützt wurde, brachte neben einer Diskussion mit dem Astronauten Franz Viehböck und Polarstern-Preisen für die Projektleiter der ersten österreichischen Satelliten auch Einblicke in die aktuelle Planetenforschung.

In die Zeit zurück blickte dagegen Andreas Weise. Der studierte Elektrotechniker durchforstet Archive und Zeitungen aus den 1950er- und 60er-Jahren, um an "vergessene Kosmonauten" zu erinnern, um die sich aufgrund der Informationspolitik im Kalten Krieg, unzulänglich beschrifteter Archivfotos oder zu Verschwörungstheorien neigender Internetnutzer zahlreiche Gerüchte ranken. Gerüchte, wonach schon vor Gagarin Raumfahrer im Orbit verunglückt wären. Gerüchte, wonach Gagarin vielleicht gar nicht im All gewesen sei. Weise hat etwa die Geschichte des Testpiloten Wladimier Iljuschin akribisch nachvollzogen. Über ihn gibt es die Mär, dass er bereits kurz vor Gagarin im All war und schwer verletzt in China landete.

Sprung aus der Stratosphäre

Verantwortlich für die Mutmaßung ist eine Falschmeldung einer damaligen kommunistischen Zeitung in London, deren Verfasser die Hinweise falsch deutete. Iljuschin lag wegen eines Autounfalls in einem Spital in China.

Weise erinnert auch an Piotr Dolgov, der 1962 bei einem Stratosphärensprung ähnlich jenem von Felix Baumgartner ums Leben kam. Auch bei Dolgov gab es Gerüchte, dass er bereits 1960 bei einem missglückten Raumflug starb. Wie wahrscheinlich ist es also, dass es vor Gagarin tatsächlich einen Menschen im All gab, der nicht zurückkehrte? Weise: "Ich möchte es ausschließen. Es gibt nicht einen einzigen Beweis." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 16.4.2014)