Dem Schwein scheint's zu gefallen auf der Schweinetoilette.

Mehr Bilder gibt es in einer Ansichtssache.

Foto: Alexander Reisenbichler

Ein universales Thema, das in Reiseberichten meistens vernachlässigt wird, sind Toiletten. Es kann eben nicht jeder ein Klobetrotter sein! Und doch gibt es prominente Beispiele, V.S. Naipaul überstrapazierte in seinem Reisebericht "An Area of Darkness" die Beschreibung indischer Freilichttoiletten in den Slums, was ihm den Unmut der indischen Leserschaft zuzog. Peter Handke widmete sich diesem Thema in "Ein Versuch über den stillen Ort", Michel de Montaigne (1533-1592) schrieb auf seiner Europareise aufgrund seiner Nierenkoliken über seine Uriniergewohnheiten, und der japanische Zen-Buddhist und Gründer der Soto-Schule, Dogen Zenji (1200-1253), verbot ausdrücklich die Verwendung alter Sutrabücher auf der Toilette.

Mich haben Toiletten auf jeden Fall schon lange in ihren Bann gezogen, nicht erst seit mir Dauerdurchfälle auf meiner ersten Indien-Reise stundenlange Toilettenaufenthalte bescherten, zudem in hockender Stellung. Es gibt Komposttoiletten in Neuseeland, Trockentoiletten auf 4.000 Meter Höhe in Spiti, Indien, wo man einfach hinter die Dorfmauer geht, um sein Geschäft zu verrichten, und der Umstand, dass es dort nie regnet, das Geschäft geruchlos eintrocknen lässt, metertiefe Plumpstoiletten in tibetischen Klöstern - und Schweinetoiletten in Südkorea.

Südkoreas Schweinetoiletten

Leicht vorstellbar, dass es Schweinetoiletten auch in anderen Ländern gibt. Der Inder Ajit Harisinghani schrieb in seinem 2008 veröffentlichten Reisebericht von einer solchen Einrichtung in Arambol, Goa (Indien), die ich bei meinem Besuch offensichtlich übersehen habe.

In der Toilette, die auf den ersten Blick wie ein Plumpsklo aussieht, befindet sich ein Schwein, das die Exkremente auffrisst und im Koreanischen "Kot-Schwein" (Ttong-dwaechi) genannt wird. Während die Insel Jeju in Südkorea für diese Attraktion bekannt ist und die meisten Südkoreaner Kot-Schweine mit der Insel Jeju assoziieren, werde ich über Kot-Schweine in den Jiri-Bergen schreiben, die im Gegensatz zu ihren südlichen Geschwistern nicht so bekannt sind. Vor ungefähr 40 oder 50 Jahren waren diese Schweine, die eine kulinarische Spezialität darstellen, fast in ganz Südkorea verbreitet - obwohl hauptsächlich in ärmeren Gebieten -, heute sind sogar Plumpsklos fast eine Seltenheit.

Die Schweinetoiletten auf Jeju sind von einer ein Meter hohen Steinmauer umgeben und man nimmt einen Stock mit, um Schweine, die einem bei seinem Geschäft zu nahe kommen, vertreiben zu können. Im Norden der Jiri-Berge (Hamyang-gun Macheon-myeon und Namwon-si Sannae-myeon, alle Beschreibungen beziehen sich auf diese beiden Großgemeinden) ist die Schweinetoilette zumeist 1,5 Meter hoch. Das Innere der Toilette, wo man sein Geschäft verrichtet, ist sehr simpel: ein 1 Meter langer und 30 Zentimeter breiter Spalt.

Heute gibt es kaum noch Kot-Schweine, doch sind die Toiletten noch in Verwendung und werden oft parallel mit modernen WC-Anlagen benutzt, da der menschliche Kot als Düngemittel eingesetzt wird, sehr oft für Kürbispflanzen, die sich dann über die Steinmauern ranken. Für viele Südkoreaner ist dieser Artikel genauso exotisch wie für die meisten westlichen Leser und Kot-Toiletten gehören, wie so viele traditionelle Einrichtungen, fast der Vergangenheit an.

Kot-Schwein als Festmahl

In den letzten Jahren wurden im Dorf Changwon in Macheon zwei Kot-Schweine großgezogen, die dann jeweils als Hochzeitsschmaus dienten. Die eigentliche Hochzeit fand natürlich in der Stadt statt und beide Ehepaare hätten ihren Gästen niemals ein Kot-Schwein aufgetischt. Doch viele Ehepaare feiern vor der eigentlichen Hochzeit eine Art Vorfeier mit ihren Eltern und den anderen Dorfbewohnern. Bei einer dieser Hochzeitsfeiern war unsere Familie eingeladen und ich half schon am Vormittag bei der Vorbereitung, unter anderem bei der Schlachtung des Schweins. Zuerst bekam das Schwein mit einem Vorschlaghammer einen Schlag auf den Kopf, dann wurde es geschwind auf eine Holzbank gelegt und vier Leute, darunter ich, hielten je einen Fuß fest während ein anderer die Hauptschlagader mit einem Messer durchtrennte. Meine Frau und unsere Nachbarin schimpften mich kräftig aus, als sie erfuhren, dass ich bei der Schlachtung geholfen habe, da meine Frau zu dieser Zeit mit unserer Tochter Maya schwanger war und der Ehemann während dieser Zeit an keinen Schlachtungen teilnehmen sollte.

Geschmacklich konnte ich keinen Unterschied zu 'normalem' Schweinefleisch feststellen, die anderen Gäste waren jedoch anderer Meinung, das Fleisch sei nicht so fett und hätte mehr Aroma, meinten sie.

Kindheitserinnerungen

Kim Minnu (46) erzählte mir, dass früher der Schweinekot in Aschehäusern gesammelt wurde, bevor er als Dünger verwendet wurde, da Asche dem Kot alle schlechten Stoffe entziehen würde. Da die Kinder sich vor den grunzenden Schweinen fürchteten, verrichteten sie ihr Geschäft oft direkt im Aschehaus.

Die Triebe und das Holz des Lackbaumes (Rhus verniciflua, Ott-Baum auf Koreanisch) werden bei der Zubereitung spezieller Speisen, besonders der Ott-Hühnersuppe, mitgekocht, jedoch kann diese Speise aufgrund der giftigen Substanz Urushiole, besonders wenn man diese Speise nicht gewöhnt ist, starkes Jucken aber auch Ausschläge verursachen, die durch das Einschmieren mit Kotflüssigkeit gelindert werden können, erklärte mir Kim Minnu.

Frau Park Hyong-suk (75) wusste eine interessante Geschichte zu berichten: "Nach dem koreanischen Bruderkrieg (1950-53) kamen sehr viele schwer verwundete Männer nach Hause, die eine besondere Medizin bekamen. Ein Bambussegment (hinten und vorne durch eine natürliche Scheidewand geschlossen) wurde in der Toilette in den menschlichen Kot gelegt und ganz langsam (mehrere Wochen) drang eine Flüssigkeit in das Innere des Bambusrohres, die dann von den Männern zur Heilung getrunken wurde."

Zurück in die Moderne

Moderne südkoreanische Toiletten unterscheiden sich von mitteleuropäischen nur durch den Umstand, dass das Toilettenpapier in einen kleinen Kübel geworfen wird, der neben der Toilette steht. Das Goethe-Institut in Seoul bietet seinen Besuchern seit einigen Jahren ein Stückchen deutsche Kultur und man darf und soll das Toilettenpapier in die Toilettenmuschel werfen. Diese wichtige Mitteilung war auf Koreanisch und Deutsch auf ein Stück Papier geschrieben und an die Innenseite der Toilettentür geheftet worden.

Gleichzeitig wurde der Bücherbestand drastisch reduziert, so gut wie alle Klassiker (von Thomas Bernhard über Jean Paul und andere antike Schriftsteller wie Heinrich Heine) wurden entfernt ("Hat ja keiner gelesen," wurde mir erklärt.) Man muss im Leben einfach Prioritäten setzen und der neue Kulturauftrag wurde auf die Toilette verlagert und darf hinnuter gespült werden, während die Bibliothek zum stillen Örtchen verkam. Ist ja beides Papier und wird aus Holz hergestellt und oft ist der Unterschied schließlich gar nicht so groß. (Alexander Reisenbichler, derStandard.at, 15.4.2014)