In den Rinnen am Südhang des Puez wurden die geologischen Profile der kreidezeitlichen Ablagerungen erstellt. Der Gipfel wird von einer überschobenen Schicht aus triassischem Hauptdolomit gebildet.

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Das Puez-Gebiet zur Zeit der Unterkreide.

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Alexander Lukeneder: "Abenteuer Dolomiten – Spannende Forschung 3000 Meter über dem Meer", Seifert-Verlag 2014, 34,90 Euro.

Foto: Lukeneder/Seifert-Verlag

Wien – Als Alexander Lukeneder Anfang des Jahrtausends damit begann, sich mit den Fossilfunden des Puez-Plateaus in den Südtiroler Dolomiten zu beschäftigen, schien es, als wollte der Berg den Paläontologen fernhalten. Ein lokaler Sammler hatte den jungen Forscher in Wien kontaktiert, um seine Funde fachkundig bestimmen zu lassen. Bei dem darauffolgenden Besuch in Südtirol wurde Lukeneder erst von einem schweren Erdbeben empfangen, bei dem die fossilen Untersuchungsobjekte vom Tisch geschüttelt wurden, und dann nach seinem ersten, trotz frischer Operationswunde am Fuß gewagten Aufstieg zu den kreidezeitlichen Meeressedimenten auf rund zweieinhalbtausend Meter Seehöhe von einem heftigen Gewitter vom Berg vertrieben.

Andere hätten sich durch diese Widrigkeiten vielleicht abschrecken lassen, doch der Ammoniten-Experte aus dem Flachland kehrte zurück auf den Puez. Seine Erlebnisse im Hochgebirge hat der wissenschaftliche Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums in Wien nun in einem Buch zusammengefasst. Lukeneder schafft dabei den Spagat zwischen Fachpublikum und Laien: Der prächtig illustrierte Band Abenteuer Dolomiten nimmt den Leser praktisch zu den Exkursionen auf den Berg mit. Fantastische Fotos der Südtiroler Bergwelt machen Lust auf eigene Touren. Andererseits wird auch der relativ hohe Mitarbeiterverschleiß bei dem Forschungsprojekt angesichts der Bilder von Schnee im Hochsommer, aufziehenden Gewitterstürmen oder brennender Hochgebirgssonne nachvollziehbar.

Lukeneder macht auch die vielschichtige Arbeit eines modernen Paläontologen greifbar. Zu dieser gehört nicht nur die staubige Tätigkeit am Schreibtisch und die ebenso staubige, anstrengende Suche nach Fossilien in Aufschlüssen im Gebirge oder in Steinbrüchen. Um längst vergangene Ökosysteme lebendig werden zu lassen, ist der Einsatz verschiedenster technischer Hilfsmittel und Untersuchungsmethoden nötig.

Der Computertomograf lässt im Gestein Verborgenes sichtbar werden, wie zum Beispiel die Stacheln auf dem Rücken der von Lukeneder neu beschriebenen Ammoniten-Spezies Dissimilites intermedius. Diese, im Gegensatz zu der üblichen spiraligen Erscheinungsform der Ammoniten, bizarr hakenförmige Kopffüßerart wurde nach 128 Millionen Jahren mit einer dreidimensionalen Bewegungsstudie wieder zum (digitalen) Leben erweckt.

Mesozoischer Klimawandel

Mit Hilfe von Messungen der Gammastrahlung der einzelnen Gesteinsschichten lassen sich Schlussfolgerungen über die klimatischen Bedingungen zu den jeweiligen Zeitpunkten der Ablagerung der Sedimente treffen. Auch mit geochemischen Methoden lassen sich Aussagen zu den Klimaverhältnissen machen. Im Untersuchungszeitraum der Unterkreide zwischen 135 und 100 Millionen Jahren vor unserer Zeit ist ein Anstieg der Temperaturen um 7,5 Grad – der höchste der vergangenen zweihundert Millionen Jahre – nachweisbar, was auf einen enormen Treibhauseffekt durch hohe Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre zurückzuführen ist.

Ein zentrales Ziel des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projektes am Puez war die Erstellung eines geologischen Profils der kreidezeitlichen Schichten. Diese sind in der Region nur an wenigen Stellen erhalten. Am Puez wurden sie durch eine bei der Gebirgsbildung der Alpen überschobene weitaus ältere Schicht der Trias wie mit einem Deckel vor Erosion und Verwitterung geschützt.

Das Projekt lieferte darüber hinaus noch zahlreiche weitere Ergebnisse. So wurde die wissenschaftliche Arbeit von einem Filmteam dokumentiert. Eine Entdeckung, auf die Lukeneder besonders stolz ist, gehört zu den unscheinbarsten: Das Team konnte eine Korallenart nachweisen, die die Gehäuse von Ammoniten besiedelten, da diese offenbar den einzigen brauchbaren Hartgrund auf dem schlammigen Meeresboden darstellten. Diese Art der Nutzung von Ammonitenschalen durch Korallen ist bisher ausschließlich vom Puez bekannt.

Auch die neue Seeigel-Gattung Absurdaster und zwei neue Spezies der noch heute existierenden Kammmuschel-Gattung Parvamussium konnten beschrieben werden: neben der nach dem Fundort benannten P. pizpuezense auch die zwölf Zentimeter große P. mordsdrum – die Namen lassen erahnen, dass bei der trockenen wissenschaftlichen Arbeit der Spaß sicher nicht zu kurz kommt. (Michael Vosatka, DER STANDARD, 16.4.2014)