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Brazeau kämpfte gegen Korruption in den Reservaten und geriet selbst auf die schiefe Bahn.

Foto: REUTERS/Chris Wattie/Files

Der kanadische Algonkin-Indianer Patrick Brazeau, einst jüngster Senator des Landes und Hoffnungsträger der indigenen Völker, ist tief gefallen. Noch vor kurzem war Brazeau das leuchtende Vorbild für eine Generation aufstrebender Ureinwohner, die sich in einer ihnen weitgehend fremden Gesellschaft behaupten müssen.

Doch nach Drogenkonsum, Alkoholmissbrauch und dem Vorwurf sexueller Belästigung wurde er vor wenigen Tagen verhaftet - unter anderem wegen Gewaltanwendung und Todesdrohungen.

Noch während er in Untersuchungshaft saß, warf jemand seine Besitztümer in den Hinterhof: Kleider, persönliche Briefe, Musikinstrumente. Reporter filmten den Scherbenhaufen einer beispiellosen Karriere, die so hoffnungsvoll begonnen hatte.

Streit mit Häuptlingen

Der konservative Premierminister Stephen Harper ernannte den damals 33-jährigen Aufsteiger Ende 2008 zum Senator. Er war so etwas wie ein "Vorzeigeindianer": sprachgewandt, intelligent, attraktiv, Parteimitglied der Konservativen, Porschefahrer. Und einer, der sich nicht scheute, Korruption und Misswirtschaft von Häuptlingen öffentlich zu kritisieren.

Mit denen hatte sich Brazeau schon als Vorsitzender des Kongresses der eingeborenen Völker angelegt, der Ureinwohner vertritt, die außerhalb von Reservaten leben. Von den rund 850.000 kanadischen Indianern sind das knapp die Hälfte.

"Meine Rolle ist es, für jene zu sprechen, die keine Stimme haben", erklärte Brazeau damals. Seine unverblümte Kritik an der Weise, wie Staatszuschüsse an die Stammesräte in den Reservaten verteilt werden, machte ihm dort Feinde. Seine indianischen Gegner warfen ihm vor, nichts über das Leben in Reservaten zu wissen. Er sei ein Wolf im konservativen Schafspelz.

Mit elf Jahren eine neue Identität

Brazeaus Großmutter hatte einen Weißen geheiratet und deswegen das Reservat verlassen müssen - ihre Nachfahren verloren den Status als Indigene. Erst als Brauzeau elf Jahre alt war, wurde das Gesetz geändert und er hatte plötzlich eine neue Identität.

Er vermochte sich wendig zwischen den zwei Kulturen zu bewegen, war aber für viele Indianer zu angepasst. Als junger Mann ging er zur Marine, arbeitete als Fotomodel. Schließlich studierte er und schloss in Soziologie ab.

Mit nur 31 Jahren wurde er Präsident des Kongresses der eingeborenen Völker. Mitarbeiter behaupten später, Brazeau habe den Alkoholkonsum in den Büros begünstigt, eine Frau klagte über sexuelle Belästigung.

Niederlage im Charityboxkampf

Harper ernannte ihn trotzdem zum Senator. 2012 folgte ein medienwirksamer Charityboxkampf gegen Justin Trudeau, den Sohn des legendären Ex-Premiers Pierre Trudeau und heute Chef der Liberalen Partei. Brazeau, Träger des schwarzen Gürtels, galt schon im Voraus als Gewinner, doch ging dann zu Boden.

Dieser Kampf war symbolisch für sein Leben - der Anfang eines unaufhaltsamen Niedergangs für einen Hoffnungsträger, der es so weit wie kein anderer junger Indianer in Kanada gebracht hatte.

Illegale Zuschüsse für sein Haus

Bald danach holten ihn die Skandale ein: Er soll sich illegal Zuschüsse für sein Haus erschlichen haben, eine Journalistin, die seine häufige Abwesenheit im Senat erwähnte, beschimpfte er wüst auf Twitter. Die Polizei ermittelte erneut wegen eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs.

2013 wurde er zunächst aus der Konservativen Partei ausgestoßen, dann aus dem Senat verbannt. Er heuerte als Kolumnist eines Satiremagazins an, wurde aber bald entlassen und bekam schließlich eine Stelle als Tagesmanager eines Stripteaselokals.

Er fand weder Halt in der indianischen Gemeinschaft noch seinen festen Platz unter der weißen Elite. Dieses Schicksal teilt er mit vielen anderen jungen Indianern. (Bernadette Calonego aus Vancouver, DER STANDARD, 15.4.2014)