Wien - In ungewöhnlichen Zeiten müsse sich alles ändern, damit alles gleich bleibe. Der im Direktorium der EZB sitzende Benoît Cœuré nutzte seine Rede beim Internationalen Währungsfonds (IWF) am Sonntag für einen literarischen Ausflug. Damit die EZB in Zeiten wie diesen ihre Ziele erreichen könne, nämlich eine deutlich höhere Inflation als im Moment, müsste sie zu neuen Instrumenten greifen, so der Franzose.
Cœuré führte die Kommunikations-Strategie der EZB fort und fütterte die Öffentlichkeit mit kleinen neuen Details zu den möglichen Anleihekäufen der Zentralbank. Sollte es dazu kommen, würde die Bank nicht nur Staatsanleihen, sondern auch etwa Unternehmenskredite aufkaufen. "Quantitative Easing" sei aber eine falsche Bezeichnung, wenn, dann ginge es der EZB nicht um eine bestimmte Menge von aufzukaufenden Papieren, sondern um deren Preis. Steigert die EZB die Nachfrage nach Wertpapieren, dann erhöht sie deren Preis und senkt damit ihre Rendite bzw. die Zinsen.
Cœuré war nicht der einzig Umtriebige am Wochenende. Auch EZB-Präsident Mario Draghi war Gast der Frühjahrstagung des IWF und sagte zu Journalisten, dass ein starker Euro eine aktivere EZB erfordere. Je stärker der Euro, desto billiger die Importe. Das senkt die Preise und trägt zur niedrigen Inflation im Euroraum bei. Der Euro hat gegenüber dem Dollar in letzter Zeit deutlich an Wert gewonnen, obwohl die Wirtschaft in den USA schon spürbar besser läuft.
Draghi ließ laut Financial Times auch mehrere EZB-Mitarbeiter auf der Konferenz des IWF ausschwärmen. Der Tenor ihrer Aussagen: Bevor die EZB Wertpapiere am Markt aufkauft, wird sie ihren Einlagezins weiter senken. Der wäre dann negativ und Banken müssten dafür bezahlen, um ihr Geld bei der EZB zu parken. Noch im Vorjahr erklärte Draghi die Debatte um negative Einlagezinsen für beendet. Der mögliche Effekt hielte sich aber laut Experten ohnehin in Grenzen. Seit Mitte 2012 sind die bei der EZB gelagerten Reserven nämlich bereits von 800 Milliarden Euro auf 21 Milliarden Euro gesunken.
In einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Papier macht sich die Zentralbank außerdem für den Markt für verbriefte Kredite stark. Sogenannte "Asset Backed Securities" sind seit der Finanzkrise in Verruf geraten. US-Banken hatten unzählige Hypothekar-Kredite an Menschen mit schlechter Bonität vergeben. Weil sie die Kredite einfach weiterverkauften, waren sie aus dem Schneider, als die Schuldner das Geld nicht zurückbezahlen konnten. Die EZB plädiert nun dafür, europäische von amerikanischen Papieren zu unterscheiden. Während bei letzteren die Ausfallsrate seit der Krise bei fast 20 Prozent liege, würden in Europa nur 1,5 Prozent der Kredite nicht bedient werden.
Der Vorstoß der EZB ist verständlich. Würde sie wie die amerikanische Zentralbank Staatsanleihen aufkaufen, um das Zinsniveau in Europa zu senken, wäre ihr Kritik wegen Staatsfinanzierung gewiss. Mit dem Aufkaufen von Krediten könnte man dieses politische Minenfeld umschiffen. Einziges Problem: Der Markt für solche Kreditpapiere ist in Europa relativ klein. Mehr noch: er schrumpft sogar. Im Vorjahr belief sich das neu begebene Volumen laut Dealogic, einem internationalen Finanz-Dienstleister, auf 39 Milliarden Euro. Vor der Krise stand es noch bei über 165 Milliarden Euro. (Andreas Sator, derStandard.at, 14.4.2014)