Hepatits C spürt man nicht, die Viren zerstören unbemerkt die Leber.

Foto:

London/Wien - Es ist das, was sich Mediziner, Pharmakonzerne und Patienten gleichermaßen wünschen. Eine tödlich verlaufende Krankheit durch den Einsatz eines neuen Medikaments zu stoppen und damit aus der Welt zu verbannen. In der Geschichte der Medizin ist dies öfters gelungen - sehr eindrücklich bei Antibiotika zum Beispiel - im Gegensatz zu den Bakterien stellen Viren Forscher allerdings vor größere Herausforderungen.

"Bei der Behandlung von Hepatitis hat in den letzten zwei Jahren eine Revolution stattgefunden", sagt Peter Ferenci, Hepatologe an der Med-Uni Wien/ AKH, am Rande des Treffens der Europäischen Lebergesellschaft EASL, die sich von 9. bis 13. April in London traf. Was er mit Durchbruch meint: Die Forscher haben verstanden, wie das Hepatitis-C-Virus (HCV) in die Leberzellen gelangt und wie es sich dort vermehrt. Das Immunsystem reagiert darauf, es kommt zur Entzündung der Leber, die oft unbemerkt bleibt.

Geheime Seuche

Letztendlich scheitert das Abwehrsystem aber an den Viren. Das Ziel jeder Therapie ist es also, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Erschwerend ist, dass es vom Hepatitis-C-Virus sechs verschiedene Genotypen, jeweils mit Subgruppen gibt.

Zirka 160 Millionen Menschen weltweit, schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), sind mit HCV infiziert. Weil das Virus oft lange Zeit keine Symptome verursacht, könnten es mehr Betroffene sein. "Die Zahl der 40.000 infizierten Österreicher ist hypothetisch, es könnten 20.000, aber auch 200.000 sein, genaue Zahlen gibt es nicht", stellt Ferenci klar. Über den Genotyp der in Österreich diagnostierten HCV-Fälle weiß er Konkretes: Zwei Drittel weisen den Genotyp 1a bzw. 1b auf.

Schon vor 20 Jahren war klar, dass jede Art von Therapie den Vermehrungszyklus des Hepatitis-C-Virus stoppen muss. Das gelang auch, und zwar mit einer Kombination aus Interferon und einem Wirkstoff namens Ribavirin. Interferon ist ein Protein des Immunsystems, das immer dann produziert wird, wenn ein Virus in den Körper gelangt. Interferon als Medikament aktiviert die Abwehr. Der Nachteil für Patienten: Eine Interferontherapie hat starke Nebenwirkungen.

Die Virenkiller

Sie wird gerade von neuen Substanzen abgelöst: Proteasehemmer, Polymerasehemmer und sogenannte NS5A-Hemmer sind die neuen Waffen gegen HCV. Sie greifen direkt an unterschiedlichen Punkten des Vermehrungszyklus eines Virus ein und werden im Fachjargon deshalb auch direkte antivirale Substanzen (DAA) genannt. Proteasehemmer wie Incivo und Victrelis machten vor zwei Jahren den Anfang. Sie blockieren das Enzym Protease, mit dem HCV seine Eiweißmoleküle in Einzelteile zerschneidet. Simprevir ist bereits eine verbesserte Version des Proteasehemmers, die aber nur in Kombination mit Interferon und dem Medikament Ribavirin wirksam sind.

Polymerasehemmer wie das im Jänner 2014 auch in Österreich zugelassene Sofosbuvir verhindern den Herstellungsvorgang der Virus-RNA und stoppen so auch die Vermehrung - für HCV-Infizierte des Genotyps 1 hat das zu dramatisch verbesserten Resultaten geführt.

Im Gegensatz zum HI-Virus ist es bei der Therapie von Hepatitis C nämlich möglich, das Virus ein für alle Mal aus dem Körper zu verbannen - und nicht "nur" lebenslänglich in Schach zu halten. Die RNA des Virus baut sich nicht dauerhaft in die Leberzellen ein, insofern können auch chronische Formen vollständig geheilt werden. "Derzeitiger Standard ist eine Dreifachkombinationstherapie, die auch noch Interferon und Ribavirin enthalten kann", sagt Harald Hofer, ebenfalls Hepatologe an der Med-Uni Wien. Wenn Interferon nicht vertragen wird, muss die Therapie aber oft abgebrochen werden.

Preiskampf beginnt

Beim Leberkongress in London wurden dieses Jahr aber auch klinische Studien für neue Medikamentenkombinationen präsentiert, die ohne Interferon auskommen, etwa die Wirkstoffkombination ABT-450 mit Ritonavir/Ombitasvir/Dasabuvir, die ebenfalls Heilungsraten von mehr als 90 Prozent erzielt. In Europa wurden die Zulassung des Proteasehemmers Simprevir und jene des NS5A-Hemmers Daclastavir beantragt.

Ein heißer Diskussionspunkt in London war der Preis der neuen Medikamente. Volle Pipelines sind nicht nur gut für Patienten, sondern auch fürs Gesundheitssystem: Je mehr Angebot, umso stärker werden die Preise fallen. Das erste Medikament am Markt, Sofosbuvir, kostet 1000 Dollar pro Tablette. Aufgrund weltweiter Proteste hat Hersteller Gilead den Preis in Entwicklungsländern um 99 Prozent gesenkt. Aber auch viele Länder der westlichen Welt können sich diese Therapie nicht leisten, erst der Mitbewerb wird den Preis drücken. (Karin Pollack, DER STANDARD, 15.4.2014)