Mit einem spektakulären Dachkonzept interpretiert Porsche den Klassiker neu

"Nikolausi ..." Vater: "Ja, also, du Rotzbub, das ist ein Osterhasi, das ist kein Nikolausi, Osterhasi, verstanden, Osterhasi ..." Sohn: "Nikolausi ..." Weilt man mit Porsche und dem neuen Targa zur Osterzeit im apulischen Bari, kommt man um Gerhard Polts köstliche Parodie "Nikolausi" kaum herum, ist doch der brave Erfinder der prallen Geschenktüte, Nikolaos von Myra (ca. 270-345), quasi hier daheim: 1087 wurden "Nikolausis" Gebeine von italienischen Seeleuten in Kleinasien gerade noch vor den mordenden und brandschatzenden türkischen Seldschuken gerettet und nach Bari überführt.

Foto: porsche

Die Geschenktüte, die Porsche-Fans demnächst, ab Mai, exakt 927 Jahre nach Nikolausis barischer Eingemeindung (da ließe sich hier nächstes Jahr schön eine Neuauflage des Porsche 928 zelebrieren) öffnen und nach Belieben auch wieder schließen können, heißt 911 Targa.

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Ein Sportwagen für Connaisseurs, die nicht gleich auf den Himalaya pilgern müssen, wenn vom Dach der Welt die Rede ist. Denn die genialen Porsche-Tüftler haben sich eine Weltklassedachkonstruktion einfallen lassen, um eine alte Idee wiederzubeleben, und damit erneut ein kleiner historischer Exkurs.

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1963 ging der erste 911 an den Start, er verkaufte sich bis heute mehr als 853.000 Mal - erfolgreichster Sportwagen aller Zeiten. Da Porsche schon damals eine Tradition in der dachlosen Fortbewegung zu tradieren hatte, sollte dem Coupé ein Cabrio folgen. Nur drohten die Amis praktisch mit Cabrio-Verbot, falls die Dinger keinen Überrollbügel hatten, der die Insassen bei Überschlag vor dem Schlimmsten bewahrte.

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Wir erinnern uns: Erst 1955 hatte sich James Dean in seinem Porsche 550 Spyder derstessen. Cabrio also, aber mit Bügel, so lautete die Devise angesichts des US-Drucks, und damit war der 911 Targa geboren. Die Regelung kam dann zwar eh nicht, aber das Auto war fertig. Es debütierte 1965 auf der IAA in Frankfurt, 1967 kam es in den Handel, und der Name, eh klar, spielt(e) auf die legendäre Rennstrecke Targa Florio auf Sizilien an, schon wieder Italien.

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Vor 20 Jahren verschwand der Bügel bei den Targas, im Nachhinein eine Verwässerung des Konzepts in Richtung Glasschiebedach, die man jetzt wieder rückgängig macht. Wenn August Achleitner, Leiter der Baureihe 911, meint, die Targa-Idee sei "kein Stück älter geworden, nur reifer", dann ist er damit 1.) stolz auf sein jüngstes Baby, hat 2.) selbstverständlich recht, und damit kommen wir 3.) zu großem Kino. Die einzelnen Schritte der Metamorphose von zu zu offen zelebriert der Targa nämlich so spektakulär wie noch nie.

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Dazu muss man wissen, dass das Verdecksystem aus zwei beweglichen Teilen besteht: Softtop und Glasheckscheibe. Im frühlingshaften Bari zeigte sich kein Wolkerl am Himmel, wir drückten entspannt die Machmichauf-Taste, und schon ging's los. Das Glasheck öffnet sich und kippt nach hinten - das wirkt vielleicht ein bisserl patschert (ein respektloser Kollege kommentierte: Sieht aus wie ein Hund beim Schei...), geht aber nicht anders. Zugleich öffnen sich zwei Klappen im Targa-Bügel (wie beim Original mit Haifischkiemen) und befreien die Kinematik des Textildachs, das während seiner Reise nach hinten z-förmig gefaltet und hinter den Rücksitzen abgelegt wird.

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Dann heißt es: Klappe(n) zu, Heckscheibe in Ausgangsposition. Das Ganze dauert nicht länger als die Lektüre dieses Absatzes, 19 Sekunden. Das wird noch viele Aaah!s und Oooh!s bei all- und zufälligen Zeugen evozieren. Schon erlebt: Beim Abstellen des Autos anlässlich unseres Besuchs der Nikolaus-Kathedrale rief uns ein Einheimischer im Vorbeigehen "complimenti!" und "bella macchina!!!" zu und schnalzte mit der Zunge.

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Trotz Leichtbaus schlägt sich ein so komplexer Mechanismus ebenso negativ aufs Gewicht (plus 40 Kilogramm gegenüber dem Cabrio), wie der Targa sich positiv aufs Gemüt schlägt: Er ist eine der lässigsten Methoden, Sonne, Wind und Wetter nahe zu sein.

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Was Sie sonst noch wissen sollten: Sie tun mit dem Kauf eines Targas ungefragt ein gutes Werk zur Gesundung der maroden Staatsfinanzen. Ein Targa 4, die Version mit 350 PS und 7-Gang-Schaltung, kostet 136.577 Euro, mit PDK (7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe) sind 137.289 fällig. Beim 4S (400 PS) fallen 157.046 Euro an, mit PDK 157.173. Tief durchatmen und gleich gar nicht hinterfragen, wie viel davon sich Nikolausis Gegenspieler - Knecht Ruprecht, der Fiskus also - unter den Nagel reißt.

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Zurück zu den erfreulichen Dingen des Lebens. Im Targa ist man in jedem Fall mit Allrad unterwegs, in geschlossenem Zustand geht es innen ruhig zu wie in einem Coupé, das war in der Urversion noch ganz anders, wer damals draußen Wind säte, erntete drinnen akustisch Sturm. Und wenn man sich Coupé, Targa und Cabrio heute nebeneinander ansieht, wird klar: Es handelt sich um drei völlig eigenständige Charaktere, da ist eine erstaunlich präzise Differenzierung gelungen.

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Auch deshalb rechnen die Zuffenhausener mit steigender Targa-Nachfrage. Bisher wurden von allen 911ern rund 50 Prozent Coupés verkauft, 40 Prozent Cabrios, zehn Prozent Targas. Scheint so, Porsche kalkuliert nun mit gut 15 Prozent. Der Bügel ist wieder da. Danke, Nikolausi. (Andreas Stockinger, Rondomobil, DER STANDARD, 12./13.4.2014)

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Porsche

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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