Empört gab sich Moskau, als der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble Russlands Vorgehen in der Ukraine-Krise mit jenem Nazideutschlands gegenüber der Tschechoslowakei 1938 verglich. Damals wurde das Sudetenland unter Berufung auf den Wunsch der deutschen Bevölkerungsmehrheit von Hitler annektiert - mit Zustimmung der Westmächte. Was folgte, war die Zerschlagung der Tschechoslowakei - und dann der Zweite Weltkrieg.

In der Ukraine ist jetzt nach der Krim der Osten des Landes an der Reihe. Es fällt sehr, sehr schwer, in den Besetzungsaktionen prorussischer Aktivisten etwas anderes als eine zentral gelenkte Destabilisierungsoperation zu sehen.

Faktum ist: Die Regierung in Kiew hat dazu keinerlei Anlass geliefert. Im Gegenteil: Premier Arseni Jazenjuk deutete eben erst substanzielle Zugeständnisse in Richtung mehr Autonomie an. Da kann man schwerlich, wie vor der Krim-Annexion, auf die "Faschisten" in Kiew verweisen. Stattdessen häufen sich Moskauer Verbalattacken gegen die Nato, seit sie den russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze immer genauer dokumentiert.

Die Kiewer Regierung ist in einem tiefen Dilemma. Lässt sie die Provokateure gewähren, stellt sie sich selbst infrage. Geht sie, wie punktuell am Sonntag, gewaltsam gegen die Besetzer vor, riskiert sie jenen "Bürgerkrieg", der Moskau den Vorwand zum direkten Eingreifen liefern würde. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 14.4.2014)