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Uneinigkeit herrscht im Kreis der Auserwählten über die Deflationsgefahr.

Foto: APA/Reynolds

Die Eurozone steht aus Sorge vor einer Deflation erneut im Visier der Weltwirtschaft. Die Finanzminister und Notenbankchefs vereinbarten bei der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington, nach Jahren der Krisenabwehr mehr für Wachstum tun zu wollen.

Politiker aus vielen Ländern forderten die Europäische Zentralbank (EZB) auf, ihre Geldpolitik weiter zu lockern, wenn die niedrige Inflation in der Währungsunion zu lange anhalte. Eine Spirale aus fallenden Preisen und sinkender Nachfrage sei eine Gefahr für die globale Konjunktur. "Kräftiges, nachhaltiges Wachstum zu sichern und Anfälligkeiten zu reduzieren", sei das vorrangige Ziel, erklärte der IWF-Lenkungsausschuss (IMFC) im Abschlusspapier. Der Abbau der "hartnäckig hohen" Arbeitslosigkeit müsse im Mittelpunkt stehen.

EZB-Chef Mario Draghi gab auch die positive Entwicklung des Euro als Grund für den geringen Preisauftrieb an, der mit zuletzt 0,5 Prozent weit von der 2,0-Prozent-Zielmarke der Notenbank entfernt liegt. Draghi erläuterte, dass eine weitere Lockerung der Geldpolitik erforderlich werde, sollte der Eurokurs weiter steigen.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann teilten die Befürchtungen nicht. "Das Risiko ist gering, dass es im Euroraum zu einer breit angelegten Deflation kommen könnte", sagte Weidmann. Gründe für die Niedriginflation seien schwache Energie- und Nahrungsmittelpreise, meinte auch Draghi. "Es gibt aber keinen Beleg dafür, dass die Menschen Ausgabenentscheidungen aufschieben, weil sie nierigere Preise erwarten."

Taro Aso, Finanzminister des deflationsgeplagten Japan mahnte hingegen: "Sobald sich Deflationserwartungen in den Köpfen festsetzen, ist es leicht, in einen bösartigen Kreislauf zu geraten." Brasiliens Finanzminister Guido Mantega bezeichnete den Deflationsdruck als "große Besorgnis".

"Wir bewegen uns in eine Phase der Stärkung", meinte IWF-Chefin Christine Lagarde diplomatisch. Aber die Entwicklung sei "zu unausgeglichen und zu zerbrechlich". Mehr Investitionen seien nötig, "die Investitionen sind geringer, als sie an diesem Punkt der Erholung sein sollten", betonte der IMFC-Vorsitzende, Singapurs Finanzminister Tharman Shanmugaratnam.

Der Ton sollte nicht so freundlich bleiben. Als es um die Reform des IWF geht, nimmt Lagarde kein Blatt vor den Mund. "Wir stecken fest." Sie begreife nicht, warum sich der amerikanische Kongress so schwer tue mit der Quotenreform ihrer Institution. Denn an der Rolle der USA, der führenden Macht im Fonds, de facto ausgestattet mit einem Vetorecht, ändere die Korrektur gar nichts.

Zur Eile gemahnt

Da waren die Kommuniqués schon gedruckt, Kompromissformeln gefeilt, als Lagarde bei einer Diskussion in der George Washington University saß und das IWF-Treffen Revue passieren ließ. Sie konnte offener reden und tat es auch. Zuvor hatten Finanzminister und Notenbankchefs der G-20-Staaten zur Eile gemahnt, nur eben in der üblichen, chiffrierten Sprache solcher Statements. Sollte das Parlament in Washington die Reform bis zum Jahresende nicht ratifiziert haben, wolle man den Währungsfonds auffordern, "Optionen für die nächsten Schritte" zu entwickeln. Auffällig ist, wie unterschiedlich Beteiligte die schwammige Passage interpretieren, Politiker des Westens eher vorsichtig in der Wortwahl, Vertreter aufstrebender Schwellenländer auf Klartext bedacht.

"Wir hoffen, dass die USA bis Ende 2014 ratifizieren", sagt Wolfgang Schäuble, der deutsche Finanzminister. Im Übrigen müsste auch eine Ersatzlösung, wie immer die aussehe, vom Kongress abgesegnet werden, "das würde ja auch nicht einfacher". Guido Mantega dagegen macht deutlich, dass ihm allmählich der Geduldsfaden reißt. "Der IWF darf nicht gelähmt bleiben", poltert der Brasilianer. Die Neuregelung der Quoten sei nichts anderes als eine Strukturreform, wie sie der Fonds bei Feuerwehreinsätzen in Krisenländern selbst oft verlange. "Wie kann der IWF glaubwürdig Reformpakete empfehlen, wenn er nicht in der Lage ist, sein eigenes Reformpaket umzusetzen?" Vier Jahre Warten, sagt Mantega, "sind für mich einfach zu viel".

2010 hatte der IWF beschlossen, dem wachsenden Gewicht aufstrebender Länder Rechnung zu tragen und Kapitaleinlagen samt den danach gewichteten Stimmrechten seiner Mitglieder anzupassen. Zwar bleiben die USA die Nummer eins (mit 16 Prozent der Stimmen und einer Sperrminorität, die alles verhindern kann). Doch China rückt - hinter Japan, vor Deutschland, Frankreich und Großbritannien - auf den dritten Platz, Brasilien und Indien werden ebenfalls aufgewertet. Nach dem Schock der Finanzkrise war es nicht zuletzt die Regierung Barack Obamas, die für den Umbau plädierte. Nun lassen die Republikaner im Kongress den Präsidenten auflaufen. Im Jänner vereitelten die Konservativen die Reform als solche, im März den verzweifelten Versuch der Demokraten, Hilfspakete für die Ukraine an ein Ja zur Lex IWF zu knüpfen. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 14.4.2014)