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Die Homo-Ehe ist für ÖVP-Vertreter und ÖVP-nahe Kreise noch immer ein rotes Tuch.

Foto: AP/Bush

Sollen lesbische und schwule Paare Kinder adoptieren dürfen, so wie Heterosexuelle auch? Sollen gleichgeschlechtlich Liebende, die eine eingetragene Partnerschaft miteinander eingegangen sind, die gleichen Rechte wie Ehepaare haben - oder soll ihnen gar die Ehe eröffnet werden? Über diese Fragen wird in Österreich derzeit lebhaft diskutiert. Das heißt, nicht in ganz Österreich, sondern hauptsächlich in deren konservativeren Milieus - und dort eigentlich auch nicht in aller Breite, sondern vor allem in parteipolitisch gebundenen, ÖVP-nahen Kreisen.

Das trägt einen anachronischen Zug: Tatsächlich lassen repräsentative Umfragen seit Jahren darauf schließen, dass es in Österreich Mehrheiten für Homosexuellen-Gleichstellung auf allen Ebenen gibt. Eine Umfrage des Linzer Market-Instituts für den Standard vergangenen November etwa ergab ein überwiegendes Ja in der Adoptionsfrage: 35 Prozent sprachen sich "voll und ganz", 21 Prozent "überwiegend" dafür aus.

61 Prozent für Homo-Ehe

In Sachen Heiraten war die Zustimmung noch weit klarer: 41 Prozent waren "voll", weitere 20 Prozent "überwiegend" dafür. Macht eine absolute Mehrheit von 61 Prozent, die die bestehende eingetragene Partnerschaft in Ordnung finden, aber auch nichts dagegen hätte, lesbische und schwule Paare zur bürgerlichen Ehe zuzulassen.

Letzteres nun, die Homo-Ehe, ist für ÖVP-Vertreter und ÖVP-nahe Kreise nach wie vor ein rotes Tuch. Zwar haben sich Frauenministerin Sophie Karmasin, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizminister Wolfgang Brandstetter zuletzt auch zu diesem Thema mit Vertretern von Homosexuellengruppen ganz offiziell an einen Tisch gesetzt - was für die ÖVP an sich schon  beachtlich ist. Doch über (wichtige, aber leider nur) punktuelle Verbesserungen bei den eingetragenen Partnerschaften gingen die Vorschläge dabei nicht hinaus.

Zögernder Brandstetter

Zur Adoptionsfrage wiederum gibt es ÖVP-intern inzwischen abweichende Meinungen zum einhelligen Nein. Doch  nur die Vorschläge Landwirtschaftsministers Andrä Rupprechters, der für volles Adoptionsrecht eintritt, zielen auf ein wirkliches Ende der Homosexuellen-Diskriminierung ab. Justizminister Wolfgang Brandstetters Input von diesem Wochenende hingegen, der in manchen Fällen "zwingende gesetzliche Normen" erkennt, die der Adoption durch Homosexuelle "nicht entgegenstehen", ist lediglich als ein Vorvollziehen möglicher künftiger Entscheide des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs und der Europäischen Gerichtshof in dieser Frage zu sehen.

Wie nun ist ein Zustand zu charakterisieren, in dem Vorbehalte gegen eine zentrale Gleichstellungsfrage, die von einer Mehrheit der Bevölkerung nicht (mehr) geteilt werden, weiterhin die Politik des ganzen Landes bestimmen? Es ist eine Situation, in der die gesellschaftlichen Realitäten die politischen überholt haben, eine, in der die Politik als Bremserin agiert – mit der ÖVP als dafür verantwortliche Partei, da Regierungspartner SPÖ für die Öffnung der Ehe und Homosexuellen-Adoptionsrecht eintritt.

Die neuen Sündenböcke

Im heutigen Europa sowie weltweit betrachtet ist das paradox - und, in einem größeren politischen Zusammenhang gedacht, völlig verkehrt. Denn international mehren sich Stimmen, die sich gegen die Gleichstellung für Lesben und Schwulen laut machen, ja, die Homosexualität als bekämpfenswertes Übel bezeichnen. In Russland, aber auch in einer Reihe afrikanischer Staaten, steht Homosexuellenemanzipation für eine Mehrheit der Bevölkerung stellvertretend für das, was sie an Europa und anderen "westlichen" Staaten ablehnen: ein Sündenbock-Phänomen.

Für Lesben und Schwule in diesen Ländern geht das mit zum Teil massiven Repressionen einher. Aus europäischer Sicht sind das inakzeptable Menschenrechtsverstöße, gegen die Stellung zu beziehen wäre - idealerweise durch Gleichstellungsmaßnahmen im eigenen Haus. In Österreich gäbe es dafür die gesellschaftliche Grundlage: In diesem Sinne sollten Toleranz und Akzeptanz für Homosexuelle von allen politischen Playern hierzulande endlich als Chance begriffen werden. (Irene Brickner, derStandard.at, 13.4.2014)