Als sein Mentor, der legendäre Voest-General Peter Strahammer, vor zwei Jahren tödlich verunglückte, war Wolfgang Eder dem Chefsessel des Linzer Stahlkonzerns schon ziemlich nah. Dann bekam aber doch Strahammers Vize Franz Struzl den Vorzug. Weil man den damals 59-Jährigen, der das mehrfach vom Zusperren bedrohte Sorgenkind der Voestler in Donawitz dauerhaft saniert hatte, nicht übergehen konnte und wollte, sagen langjährige Beobachter.

Eineinhalb Jahre und einen prominenten privaten Aktiendeal später steht Eder erneut überraschend im Warteraum zum Zimmer des Vorstandschefs. An seiner Bestellung zweifelt niemand, Eder ist der logische Voest-Chef. Binnen weniger Monate muss er nun für die von ihm geführten Kernbereiche - die traditionelle Stahl- und die auf steiler Bergfahrt befindliche Autokarosserie-Division - würdige und vor allem tatkräftige Nachfolger küren. Im Stahl ist das mit Franz Hirschmanner schon geschehen, ein automotiver Newcomer wird sich sicher auch finden lassen. Schließlich habe die Voest ausgezeichnete Personalreserven, wie Voest-Präsident Rudolf Streicher gern betont.

Wollte immer Architekt werden

Eder, ein Jurist, der 1978 in der Rechtsabteilung der "alten" Voest anheuerte und alle Höhen und Tiefen des Konzerns mitmachte, ist damit in seinem Element. Denn er wollte immer Architekt werden. Heute baut er eben nicht Häuser und Wohnungen um, aus und neu, sondern den Traditionskonzern Voestalpine. Ein Blick von der Linzer Stadtautobahn auf das riesige Werksgelände zeigt dies eindrücklich: Die heutige Voestalpine hat mit dem alten verstaatlichten Industriekonglomerat Voest Alpine, das sich zwischenzeitlich Austrian Industries nannte, ehe es in seine Einzelteile VA Stahl, VA Tech und Böhler-Uddeholm zerfiel, nichts mehr zu tun.

"Mehr aus Stahl", so lautet das Credo des seinerzeit jüngsten Prokuristen der Voest, der bald für Strategie, Beteiligungen und Zukäufe zuständig war. Autokarosserien, Bahnsysteme, Stahl und Bleche - mit diesem Mix sollte die Voest Marktschwankungen austarieren und gut segeln können.

Damit trägt die heutige Voestalpine die Handschrift des leidenschaftlichen Seglers deutlich sichtbar, er steht als Garant für die Einheit des Konzerns. In der internationalen Finanzwelt kam er rasch gut zurecht, nachdem er sein "Gesellenstück", den Börsengang der damaligen VA Stahl, 1995 bravourös gemeistert hatte. Daher hat er auch keine Angst vor Finanzinvestoren, im Gegenteil. Sie mögen kommen und den mutigen Wachstumskurs mittragen. Und der Staat möge lieber heute als morgen abziehen, seine Anteile aber bitte nicht an einen strategischen Investor à la Magna verkaufen, denn sonst wäre der Ofen in Linz vielleicht bald aus. (Luise Ungerboeck, Der Standard, Printausgabe, 21.08.2003)