Der tschechische Präsident Milos Zeman neigt zu Aussagen, von denen man das Gefühl hat, sie würden unter dem Einfluss vergorener Substanzen gemacht. So erklärte er kürzlich, im Falle einer Eskalation sollte die Nato Truppen in die Ukraine schicken. Andererseits beweist Zeman auch immer wieder einen schlauen Realismus: Im selben Interview meinte er, der Westen solle zur Kenntnis nehmen, dass Russland die Krim behalten werde.

Auf jeden Fall fürchten die Tschechen - und die Polen und die Slowaken - den Neo-Imperialismus von Wladimir Putin. Diese Länder haben die sowjetisch-russische Herrschaft zur Genüge kennengelernt und haben nicht die geringste Lust, sich auch nur indirekt wieder in die russische Einflusssphäre zu begeben. Polen denkt sogar an eine verstärkte Nato-Präsenz im Ostseeraum, an der sich auch Berlin mit Überwachungsflugzeugen beteiligen soll.

Und wo bleiben wir, das nette kleine Österreich, das vielleicht wieder Putin zum Skifahren auf dem Arlberg begrüßen und auf keinen Fall die Geschäfte mit Russland gefährden will? Und wer soll im "Goldenen Quartier" in der Wiener Innenstadt, das nun endlich fertig zu werden scheint, die Luxusapartments kaufen und shoppen gehen? Gibt es eine österreichische Außenpolitik, und wenn ja, was ist unser Plan, wie wir uns zwischen der notwendigen Solidarität in der EU und unseren Interessen gegenüber Russland verhalten?

Am Beginn sollte immer eine realistische Analyse stehen. Putin ist der "starke Mann" Russlands, aber kein Stalin. Seine und Russlands Position hängt vom Rohstoffpreis ab. Wenn Putin a) die schattenhafte Geheimdienstnomenklatura und die Oligarchen (teilweise ident) und b) die Bevölkerung nicht mehr ruhigstellen kann, ist er gefährdet.

Das weiß er, und deshalb spielt er die nationalistische Karte. Jetzt ist die Versuchung groß, sich auch die Ukraine zu holen. Wahrscheinlich nicht mit einem militärischen Einmarsch, sondern mit Geheimdienstoperationen, Destabilisierung, mit Gas-Erpressung (die er auch an den Westen richtet). Die Ukraine darf in Putins Sicht kein zweites Polen - westlich, deshalb wohlhabend, deshalb eigenständig - werden. Wenn die EU (und die USA) Putin nicht eindämmen können, dann war die Krim nicht seine "letzte territoriale Forderung in Europa". Dann wird er auch die alten kommunistischen Einflusssphären in Osteuropa wiederherstellen wollen (in Ungarn trifft er in Viktor Orbán auf einen Antiwestler, der sein Spiel mitspielen würde). Das würde auch für Österreich sehr ungemütlich.

Wir tun daher gut daran, einerseits mitzutragen, was die EU an Eindämmungsmaßnahmen beschließt; andererseits zu versuchen, die Zugänge, die wir zur russischen Machtelite letztlich doch haben, zu nutzen, um Mäßigung und Vernunft in die Debatte zu bringen. Österreich genießt in Russland ein gewisses Vertrauen. Unsere Möglichkeiten sind nicht sehr groß, aber was wir haben, sollten wir ins Spiel bringen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 12.4.2014)